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Die CDU bleibt vorerst beim Jein

Der Parteivorstand beschloss gestern ein Positionspapier zur Gentechnik. Aber beim Reizthema Präimplantationstechnik geht der Streit erst mal weiter

aus Berlin MATTHIAS URBACH

Nein, ein einheitliches Bild gab sie zuletzt nicht ab, die Union. Nicht einmal in Sachen Genforschung am Menschen. Dabei erwartet alle Welt von der Partei mit dem „C“ im Namen eine klare Haltung in dieser Frage. Und weil der öffentliche Streit auf Dauer schlecht auf den konservativen Wähler wirkt, musste nun doch noch schnell ein Beschluss im Parteivorstand her.

Diesen Beschluss bekam Parteichefin Angela Merkel gestern auch. Doch ihre Position konnte sie dabei nicht durchsetzen. Ihr Vize Jürgen Rüttgers hatte in ihrem Auftrag eine Beschlussvorlage erarbeitet, die die Präimplantationsdiagnostik (PID), wenn auch mit Einschränkungen, erlauben wollte. Doch der Widerstand war zu groß. Bereits am Wochenende hatten sich die Ministerpräsidenten Roland Koch und Erwin Teufel offen gegen das Papier von Rüttgers gestellt. Auch Fraktionschef Friedrich Merz kritisierte, mit der PID werde „der Selektion Tor und Tür geöffnet“.

So verabschiedete der Bundesvorstand zwar das Rüttgers-Papier, ließ aber darin das Thema PID noch offen. Merkel versuchte hinterher, das Ergebnis pflichtgemäß als Erfolg zu verkaufen. „Wenn ich mir die anderen Parteien angucke, ist die CDU hier ziemlich weit voran.“ Auch gebe es keine Gräben in der CDU, vielmehr sei die „Diskussion von gegenseitigem Respekt getragen“.

Respekt hin, Respekt her, der Titel wurde jedenfalls schon mal geändert: Hatte über Rüttgers’ Entwurf noch „Chancen nutzen, Werte achten“ gestanden, so prangt über dem gestern verabschiedeten Papier nun die Zeile „Werte achten, Chancen nutzen“. Der empörte Aufschrei zweier katholischer Kardinäle, Joachim Meisner und Georg Sterzinsky, und die süffisanten Zeitungsberichte über das „C“ im Namen der Partei zeigten Wirkung (siehe unten).

Der mit seinem Papier aufgelaufene Rüttgers versuchte gestern wacker, gegen diesen Trend zu halten. Die CDU müsse auch weiterhin „Brücken bauen zwischen wertgebundenen Positionen auf der einen Seite und fortschrittsfreundlichen Positionen auf der anderen Seite“. Immerhin, so der ehemalige Forschungsminister trotzig, habe in der Vorstandssitzung jeder zweite Redner seine Haltung unterstützt. Damit ist auch klar, dass der Streit die Partei noch eine Weile beschäftigen wird – und die Fraktion ist noch unentschlossener: Dort ging man gestern ganz ohne Positionsbestimmung in die Debatte. Es gebe ein „Recht auf Nachdenklichkeit in zentralen Fragen des Menschseins“, hieß es lapidar im Diskussionspapier der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Maria Böhmer.

Da ist die Partei etwas weiter. Dort einigte man sich gestern immerhin auf eine Ablehnung der verbrauchenden Embryonenforschung. Der Embryo sei von der Verschmelzung von Samen und Ei an ein menschliches Wesen mit voller Menschenwürde. Auch die Forschung an Embryonen, die aus der künstlichen Befruchtung übrig geblieben sind, lehnte der Bundesvorstand gestern ab. Eine Entscheidung übrigens, die für die Forschung viel wichtiger ist als die eher medizinisch interessante PID.

Gegen diese Entscheidung hatte es ebenfalls prominenten Widerstand gegeben:. So sprachen sich die thüringische Wissenschaftsministerin Dagmar Schipanski und der hessische Ministerpräsident Roland Koch dafür aus, die überzähligen Embryonen der Forschung zu geben. Der frühere Parteichef Wolfgang Schäuble gehörte gestern im 49-köpfigen Vorstand ebenfalls zu den Überstimmten.

Die endgültige Entscheidung soll nun spätestens im Dezember auf dem Parteitag fallen. Merkel stellte gestern klar, dass sie selbst für das Recht auf PID ist, wenn auch nur mit „strenger Indikation“ und „Pflichtberatung“ – ähnlich also wie bei Abtreibungen. Diese Festlegung könnte der Parteichefin noch Probleme bereiten. Denn längst geht es nicht mehr um die Gentechnik allein. Es geht auch um die Aufstellung zur Bundestagswahl, um die Frage der Kanzlerkandidatur in der Union. Un da fragen sich viele Chrsitdemokraten, ob man es sich leisten kann, eine weniger wertkonservative Haltung vorzugeben als die Grünen. Merkels Konkurrent Stoiber führte im Präsidium der Schwesterpartei CSU gestern schon mal einen Beschluss herbei, der den Einsatz von PID auch in Ausnahmefällen ablehnt.

Immerhin hat Merkel mit ihrem Auftrag, ein Positionspapier zu entwerfen, ihren Vize Rüttgers an sich binden können. Der einflussreiche Landesparteichef von Nordrhein-Westfalen hatte ursprünglich eine kritische zur PID: Auf dem Bioethik-Kongress der CDU im Dezember hatte er es noch „skandalös“ genannt, „gegen die Geburt erblich behinderter Kinder“ zu votieren – und wollte Grenzpfähle gegen „postmoderne Beliebigkeit“ einschlagen. Nun ist er die zentrale Stütze der Parteichefin.

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