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US-Lauschstation wird dichtgemacht

Nach Ende der Spionage befürchtet Bad Aibling den Ruin

BERLIN taz ■ „Big ear“ hat ausgedient, das große Ohr wird abgestellt. Die sagenumwobene Abhörstation der USA in Bad Aibling, rund 45 Kilometer südöstlich von München, wird im September kommenden Jahres dichtgemacht. Das ist amtlich und – für Geheimdienstler ungewöhnlich – sogar auf der Website des „US Army Intelligence and Security Command“ vermerkt.

Was genau die mehr als 1.000 Schlapphüte der „718 Military Intelligence Brigade“ in der Gemeinde Mietraching getrieben haben und die verbleibenden 16 Monate noch treiben werden, ist eines der bestgehüteten Geheimnisse der Amerikaner – so unbekannt wie der Hintergrund für die Entscheidung, den Lauschposten einzumotten. „Neuordnung der US-Streitkräfte“ heißt es nur. Der Satz lässt einen so ratlos zurück wie die Gerüchte, in Bad Aibling würde vor allem Spionage gegen die deutsche Wirtschaft betrieben. Selbstverständlich wurden diese Vorwürfe dementiert.

Bad Aibling, so viel steht fest, ist Teil eines weltweiten und von den USA angeführten Abhörsystem namens „Echelon“, einer Art elektronischer Staubsauger, der alle internationalen Fernmeldeverbindungen belauscht. Errichtet wurde die „Field Station“ 1947 von der US-Armee auf einem früheren Fliegerhorst, der nach 1945 als Kriegsgefangenlager diente. 1971 übernahm die National Security Agency das Kommando, heute herrscht der Geheimdienst der US-Luftwaffe über den Antennenpark.

Bis zur Wende richteten sich die Parabolantennen gegen den Ostblock. Die Aufklärung war so gut, „dass wir in der Ukraine ihre Zähne klappern hörten“, erinnert sich ein Geheimdienstveteran. Kenneth Rhyne, als Russland-Linguist in Bad Aibling beschäftigt, schwärmt noch heute von den Aibliner „Bierfesten“. 30 Millionen Mark pumpten die Angestellten jährlich in die örtliche Wirtschaft. Felix Schwaller, zweiter Bürgermeister des 16.000-Seelen-Städtchens, fürchtet nun den Einbruch. Schließlich geben die Spione „gutes Geld in unseren Läden aus. Darüber hinaus schmeißen sie auch noch wunderbare Barbecue-Partys“. Das ist nun bald Geschichte, wahrscheinlich wird auch der Mietrachinger Western-Club „Unter Geiern“ schließen.

WOLFGANG GAST

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