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Blaugelber Anzug

Die FDP besetzt die politischen Themen des 21. Jahrhunderts: Sie stellt als einzige Partei die Frage: Boss oder Joop?  ■ Von Peter Ahrens

Der Herr Lange braucht einen neuen Anzug und will sich einen kaufen. Soll er doch, der Herr Lange, es gibt schließlich Herrenausstatter-Geschäfte in der Stadt. Nun ist Herr Lange aber nicht irgendein pensionierter Konteradmiral von der Stange, sonderen auch noch Spitzenkandidat der Elbliberalen. Also muss der Herr Lange aus dem Erstehen eines Anzuges einen Medienauftritt machen. Man ist geneigt, zu sagen: Der arme Herr Lange. Aber sein Marketingleiter, ein Herr Westerwelle, will das so. Also schickt der seine neue Marketingfachfrau, Frau Pieper aus Sachsen-Anhalt, mit dem Herrn Lange zum Einkaufen los, zu Wormland an den Jungfernstieg, und ganz viele FotografInnen und Kameraleute gucken ihm auf die Kragenweite. Das ist Politik modernen Typs. Das ist Politik, wie sie dem Marketingleiter gefällt.

Herr Lange hat bisher vorwiegend Uniform aufgetragen. Jetzt muss Zivilkleidung in den heimischen Kleiderschrank. Bürgerliche Kleidung. Damit der Herr Lange auch adrett daherkommt, wenn er ab Herbst in der Bürgerschaft steht und eine „seriöse Innenpolitik“ verlangt. Und eine „neue Bildungspolitik“ und eine „Kehrtwende in der Verkehrsplanung“. Sein Marketingleiter Westerwelle (schwarzer Anzug, blau-weiß gestreifte Krawatte, weißes Hemd, schwarze Weste) will auch das so. Denn dass der Herr Lange seinen Anzug demnächst im Parlament spazieren führt, daran besteht für den obers-ten Werbefachmann seiner Partei kein Zweifel, sagt er noch vor der Shopping-Tour. „Wir sind der frische Wind, wir sind besser, wir haben Erfahrung im Regieren, wir sind die unbelastete Alternative“, leiert er ein paar Plakatsprüche herunter. Daneben steht der Herr Lange und sagt anschließend dasselbe noch einmal. Und dass über dieser Stadt ganz viel Mehltau liegt, und dass er als Mariner weiß, was Rü-ckenwind bedeutet. Und jetzt muss er einkaufen gehen.

Als er in den Laden kommt, trägt Herr Lange einen blauen Anzug, und der Verkäufer sagt: „Ihre Uniform steht Ihnen doch sehr gut.“ Herr Lange sagt, das ist keine Uniform, und Frau Pieper sagt: „Wir brauchen etwas Frisches, Helles, Junges.“ Die Fotografen wollen sehen, wie der Herr Lange einen hellen Anzug vom Kleiderbügel nimmt. Hugo Boss ist ihm nicht freundlich genug, Joop ist schon besser, Joop ist auch Freund der FDP. Die Kameraleute balgen sich um die besten Bilder. Frau Piper lächelt eisern und sagt was über Grau als Farbe der Saison.

Was zum Teufel sind soziale Gerechtigkeit, umweltgerechtes Handeln, humanes Zusammenleben? Hier bei Wormland wird die Schlacht um die WählerInnenstimmen entschieden. Hier werden die echten politischen Fragen gestellt, die Fragen, bei denen man tatsächlich noch die Wahl hat: Grau oder hellblau.

Der Autor dieses Beitrages wurde eingekleidet von C&A und Jeans Fritz.

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