: Drastischer Mangel an Akademikern
Kultusminister prophezeien Lücke von 250.000 hoch Qualifizierten. OECD bestätigt den deutschen Rückstand
BERLIN taz/dpa ■ Der Fachkräftemangel bei akademisch Gebildeten droht in der Bundesrepublik zu einer „Wachstumsbremse“ für die deutsche Wirtschaft zu werden. Das geht aus neuesten Prognosen hervor, die die deutschen und die OECD-Bildungsminister erstellen ließen. In der Studie „Zukunft von Bildung und Arbeit“ heißt es, ohne gravierende Veränderungen im Bildungssystem würden der Bundesrepublik bald massenweise Informatiker, Ingenieure, Naturwissenschaftler und Lehrer fehlen. Der Essener Bildungsökonom Klaus Klemm beziffert den Mangel auf 250.000 Akademiker bis 2010.
Laut OECD haben die konkurrierenden Nationen aufgeholt – in einigen Fällen Deutschland überholt. Ein Beispiel: Vor 30 Jahren markierte Deutschland bei den Studienberechtigten oder Menschen mit beruflicher Qualifikation mit einem Anteil von über 70 Prozent eine Spitzenposition innerhalb der OECD – gemeinsam mit wenigen anderen Ländern. Das hat sich geändert. Deutschland konnte den Anteil bei den 25- bis 34-Jährigen zwar um rund 10 Prozent erhöhen, liegt damit aber nur noch im Mittelfeld.
Auch beginnt sich eine Stärke des deutschen Bildungssystems ins Gegenteil zu wenden. Unter dem im internationalen Vergleich außergewöhnlich leistungsfähigen dualen Ausbildungssystem leidet die Zahl der Hochschulberechtigten. Oftmals entscheiden sich die jungen Menschen für eine berufliche Ausbildung statt für das Abitur. So nehmen in Deutschland nur rund 30 Prozent der jungen Erwachsenen ein Studium auf, im OECD-Schnitt sind es dagegen rund 45 Prozent.
Die im internationalen Vergleich geringen Abschlussquoten im Hochschulbereich spiegeln sich besonders in den Natur- und Ingenieurwissenschaften wider. Die Anzahl der Absolventen naturwissenschaftlicher Fächer pro 100.000 Erwerbstätige beträgt in den Industrienationen 1.199 Personen, in Deutschland sind es nur 835. Einige andere Länder wie Australien, Finnland, Frankreich oder Irland produzieren vergleichsweise doppelt so viele Ingenieure wie Deutschland.
Erschwert wird die Situation durch eine Konstante, die auch die engagierteste Bildungspolitik akzeptieren muss: die negative demografische Entwicklung. Sie sorgt dafür, dass es immer weniger Erwachsene im bildungsrelevanten Alter gibt. Von dieser Entwicklung ist Deutschland im internationalen Maßstab besonders hart betroffen: Die Studierendenzahlen sinken beharrlich.
Verändern könnte man dagegen die finanziellen Aufwendungen für das Bildungssystem. Das tut auch not, denn Deutschlands Bildungsanteil am Bruttoinlandsprodukt liegt mit 5,5 Prozent leicht unter dem Durchschnitt der OECD-Länder, der 5,7 Prozent beträgt. Unser Nachbar Österreich bringt es dabei auf beachtliche 6,4 Prozent, Norwegen auf 6,9 Prozent. Auch die für ihr Bildungssystem viel geschmähten USA erreichen 6,4 Prozent. Das wirtschaftlich erfolgreiche Dänemark hat sich mit 7,2 Prozent an die Spitze der Industrieländer gesetzt.
Erstmalig ist jetzt auch der viel behauptete Zusammenhang von Bildung und Wirtschaftswachstum auf solider Datenbasis geschätzt worden: Im Durchschnitt aller OECD-Länder sind 0,4 Prozentpunkte des Wirtschaftswachstums (von rund zwei Prozent) auf Bildungsausgaben zurückzuführen. Kaum ein anderer Einzelfaktor ist von vergleichbarer Bedeutung für das Wirtschaftswachstum.
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