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CDU wählt Berlin-Blockade

Die Union weigert sich, einen Termin für Neuwahlen vorzuschlagen. Ihre neueste Bedingung: Der Sommersenat soll zunächst einen Etatentwurf für das Jahr 2002 vorlegen. SPD, PDS und Grüne sauer

von ANTJE LANG-LENDORFF

Ein Großteil der Berliner drängt auf Neuwahlen, aber die CDU mauert weiter. Bei einem Treffen mit Fraktionsvertretern von SPD, PDS, Bündnis 90/Grünen weigerte sich gestern der Fraktionsvize der Union, Alexander Kaczmarek, einen Termin für Wahlen vorzuschlagen. Stattdessen knüpfte er eine vorzeitige Auflösung des Parlaments an die Bedingung, dass der rot-grüne Sommersenat zunächst einen Haushaltsentwurf für 2002 und eine mittelfristige Finanzplanung vorlegt.

SPD, PDS und Grüne reagierten empört auf die Blockade der CDU. „Lehrmeister Kohl schlägt zu: Man sitzt die Dinge aus, statt zu entscheiden“, kommentierte der neue Fraktionsvorsitzende der SPD, Michael Müller. Er vermutet, dass die CDU Zeit gewinnen will, um vor Neuwahlen die Zustände in den eigenen Reihen zu ordnen, „obwohl für die Stadt jetzt ganz anderes wichtig ist als die Befindlichkeit der CDU“. Für ihn ist völlig klar: „Erst eine neue Regierung kann sich um den Haushalt 2002 kümmern.“

Auch die PDS führt die Blockade der Union auf parteiinterne Streitigkeiten zurück. Fraktionschef Harald Wolf sprach von einem „kindischen Machtpoker der CDU“. „Bei der Union gibt es zwei Haltungen zu Neuwahlen“, ergänzte der Geschäftsführer der PDS, Reiner Felsberg: „Die einen wollen den Putschverdacht ausnutzen und deshalb bald Neuwahlen, die anderen das rot-grüne Terrorregime möglichst lange halten und dann wählen.“ CDU-Spitzenkandidat Frank Steffel, der sich in der letzten Woche bereits für Neuwahlen vor dem 23. September ausgesprochen hatte, habe seinen Laden offensichtlich nicht im Griff, so Felsberg.

Die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel hatte erst letzte Woche Neuwahlen so schnell wie möglich verlangt. Kaczmarek hielt gestern einen Wahltermin Ende Oktober oder Anfang November für wahrscheinlich.

Wenn die Union auch in der nächsten Woche nicht einlenkt, wollen die Grünen eine Sondersitzung des Parlaments einberufen, um über Neuwahlen abzustimmen. Dann müsse die CDU Farbe bekennen, erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Barbara Oesterheld. Die SPD überlegt nun, ob sie sich an der Initiative „Neuwahlen jetzt!“ beteiligt, um über das Volksbegehren auf die Union Druck auszuüben.

Erst am kommenden Dienstag treffen sich die Vertreter der Fraktionen erneut, um über einen Wahltermin zu sprechen. Für eine Auflösung des Parlaments bedarf es einer Zweidrittelmehrheit der insgesamt 169 Abgeordneten. SPD, PDS und Bündnis 90/Grüne sind daher auf die Union angewiesen: Mindestens 20 CDU-Vertreter müssen dem Beschluss zustimmen. Danach sieht die Berliner Verfassung eine achtwöchige Wahlkampfphase vor, nach der dann Neuwahlen stattfinden müssen.

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