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: Für den eigenen Mist zuständig

Subventionen für Bullen

Ein Klischee galt bisher uneingeschränkt: „Brüssel baut Mist in der Agrarpolitik“. Zumindest darauf konnten sich alle einigen, die an Stammtischen oder runden Tischen über Landwirtschaft redeten. Dass die EU-Bürokraten effizienter und progressiver waren als die nationalen Agrarverwaltungen und dass die brutalsten Bremser nicht in Brüssel, sondern in Paris, Rom und Berlin saßen, wurde gern verdrängt. Jetzt haben es die Brüsseler und mit ihnen auch die Agrarminister geschafft, einen sinnvollen Kompromiss zur Begrenzung der riesigen Mastställe zu vereinbaren: Wer mehr als 90 Bullen hält, bekommt nur dann Prämien, wenn er Öko- und Sozialkriterien erfüllt.

Inhaltlich ist dies sowieso richtig, aber es ist auch taktisch ein wichtiger Schritt. Er zeigt, dass selbst starke Partikularinteressen beschnitten werden können – hatten sich doch vor allem die Deutschen gegen eine sinnvolle Obergrenze für die Rinderhaltung gewehrt, weil sie ihre mit Westgeld finanzierten Riesenhöfe im Osten schützen wollten. Taktisch klug ist auch, dass Renate Künast jetzt bekommt, was sie immer wollte – einen Hebel, um die Agrarwende auch bei jenen Bauern durchzusetzen, die dabei etwas zu verlieren haben. Umso größer ist allerdings auch die Verantwortung des Verbraucherministeriums: Welche Öko- und Sozialkriterien es genau definiert, wird am Ende entscheiden, ob aus Agrarfabriken wieder Höfe werden und mehr Bauern Arbeit finden. Die Anforderungen müssen hoch genug sein, damit es vorwärts geht, und niedrig genug, damit niemand bockbeinig wird. Scheitert die Agrarwende, auch das ist neu, ist nicht mehr Brüssel schuld.

Die Entscheidung zeigt: Das Primat der Politik gilt. Der Gesellschaftsvertrag zwischen den Bauern und der Agroindustrie sowie zwischen den Verbrauchern und Steuerzahlern wird neu ausgehandelt. Nach fünfzig Jahren, in denen die Steuerzahler viele Milliarden nur für Quantität ausgaben – möglichst viel Milch, Fleisch und Kartoffeln, möglichst billig produziert – , geht es jetzt erstmals um Qualität. Wenn die Gesellschaft die Bauern schon am Leben hält, so der neue Gedanke, dann will man ihnen auch vorschreiben, was und wie produziert wird. Dies ist so bestechend sinnvoll, dass es für alle Bereiche der Landwirtschaft gelten sollte: Dann ist aber nicht einzusehen, warum die Subventionen für die ersten 90 Bullen ohne Öko- und Sozialkriterien vergeben werden. BERNHARD PÖTTER

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