: Sozialpädagogen hat die Wirtschaft genug
■ SchülerInnen wollen es wissen: Bei einer Podiumsdiskussion ernten Ronald Schills laute Thesen den stärksten Applaus
Wäre Sonntag Bürgerschaftswahl und dürften nur die SchülerInnen der Sophie-Barat-Schule abstimmen, dann hieße der neue Bürgermeister vermutlich Ronald Schill. Zumindest, wenn man den Applaus bei der gestrigen Podiumsdiskussion mit Stimmen gleichsetzt. Platz zwei der Applaus-Skala teilten sich Ole von Beust (CDU) und Rudolf Lange (FDP). Antje Radcke (GAL) erntete auch Klatscher, während sich nach Ausführungen von Schulsenatorin Ute Pape (SPD) nur selten eine Hand regte. Offenbar ist sie mit dem neuen Privatschulgesetz an der katholischen Privatschule zum Feindbild geworden.
Zum Thema „Wahlkampf in Hamburg“ hatte der Gemein-schaftskunde-Leistungskurs die PolitikerInnen in die Turnhalle ihrer Schule bekommen. Der Regenbogen war nicht geladen, weil der Kurs entschieden hatte, „sich an den Prognosen zu orientieren“. Die Bürgerschaftsgruppe wird in Umfragen ebenfalls nicht beachtet. Moderiert von den Schülern Carlos Llovet Garcia und Gianandrea Schmidt beginnt es ganz soft mit dem Thema Bildung. Abi nach zwölf Jahren? „Kommt drauf an“, sagen SPD und GAL. „Ja“, sagen CDU und FDP, wobei Lange nebenbei bemerkt, dass er die Gesamtschule für ein „überholtes Modell“ hält. Pape verteidigt die Schulform, ein Schüler erklärt: „Der fundamentale Fehler der Gesamtschule ist, dass das Niveau nivelliert wird. Deshalb stehen die nachhher an den Universitäten auch so schlecht da.“
Ronald Schill, der sich erst auf Nachfrage von Antje Radcke zum Thema Bildung äußert, legt nach: Er erzählt, dass die jungen Leute nicht einmal ihren Benzinverbrauch ausrechnen könnten, lobt die Bildungsabschlüsse der 50er Jahre und behauptet ahnungslos, man könne an Gesamtschulen sein Abitur mit Kunst und Sport machen. Er fordert: „Leistungsbereitschaft und Elite müssen gefördert werden. Sozialpädagogen hat die Wirtschaft genug.“
Beim Thema Innere Sicherheit lässt Schill das Mikro nicht wieder los. Er redet davon, dass es in Hamburg elfmal wahrscheinlicher ist, beraubt zu werden als in München, von unbehelligten Drogendealern und von „einem Haufen Bullen, platt wie Stullen“. Garcia müht sich vergeblich, Schill zu unterbrechen. Radcke relativiert: „Man muss auch sagen, dass es in München wahrscheinlicher ist, vergewaltigt zu werden als in Hamburg.“ Ole von Beust erntet großen Applaus für die Forderung, jugendliche Intensivtäter in geschlossenen Heime zu stecken. Radcke fragt, wie es sich wohl in einer Stadt lebt, in der nach Schillschen Vorstellungen alles Geld für Polizei, Gefängnisse und Straßen ausgegeben wird und nichts mehr für Bildungs- und Sozialpolitik bleibt. Einige klatschen. Sandra Wilsdorf
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