: Wahlhilfe aus dem Knast
■ Gefangene in Santa Fu müssen Wahlplakate für Schill-Partei herstellen
Harte Strafen und unwirtliche Gefängniszellen sind nur zwei der Maßnahmen, die Ronald Schill von der Justiz im Umgang mit Verbrechern verlangt – und die er selber umzusetzen gedenkt, sollte sein Traum in Erfüllung gehen und er nach den Bürgerschaftswahlen Senator in Hamburg sein. Strafgefangene haben deshalb wenig Grund, ihre Stimme ausgerechnet dem Rechtspopulisten zu geben. Insassen der Fuhlsbütteler Haftanstalt „Santa Fu“ aber müssen jetzt sogar indirekte Wahlkampfhilfe für Schill leisten: Der lässt die Stelltafeln für seine Wahlkampfplakate im Gefängnis bauen.
In zwei der Werkstätten von „Santa Fu“ werden die Stelltafeln gefertigt: in der Tischlerei bauen Gefangene das Gestell, in einem weiteren Betrieb werden die Plakate darauf befestigt. Justizsprecherin Birgit Keyenburg betont, dass die Betriebe ihre Aufträge nicht von der Justizbehörde vermittelt bekommen, sondern selbst akquirieren: „Das machen die Anstalten in Eigenregie. Sie arbeiten selbständig und gewinnorientiert.“
Ihre Arbeitskräfte jedoch bekommen die Betriebe von der Strafanstalt gestellt. Und die Gefangenen arbeiten nicht freiwillig dort, sondern sind dazu verpflichtet. Bei Weigerung bekommen sie Disziplinarstrafen auferlegt: Arrest oder Taschengeldsperre beispielsweise.
„Das ist Zwangsarbeit“, sagt Insassenvertreter Gunter Schmiedel, der es als „Frechheit“ empfindet, „dass Gefangene dazu benutzt werden, für diesen Rechtspopulisten zu arbeiten“. Er sei von einem Mitinsassen darauf hingewiesen worden, dass der in der Werkstatt für die Schill-Partei arbeiten muss. Aus Angst vor Sanktionen habe er die Arbeiten stets wie verlangt ausgeführt – zähneknirschend.
„Das ist ein schwieriger Grenzbereich“, räumt Justizsprecherin Keyenburg ein. Die Schill-Partei sei schließlich nicht verboten. Dass die Gefangenen politisch vereinnahmt werden, findet sie nicht: „Es geht nur um das Zusammennageln der Stelltafeln. Sie führen nur ein Handwerk aus.“
Es ist nicht das erste Mal, dass die Gefangenen in den Werkstätten ihren eigenen Interessen zuwiderhandeln müssen: In der Anstalts-Druckerei stellen Insassen die Aktendeckel für die Staatsanwaltschaft her. Elke Spanner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen