: Der Bauherr trifft den Brandstifter
Der Bombendroher Olaf Staps begegnet vor Gericht erstmals dem ehemaligen Hausbesitzer, der sein Mietshaus sanieren wollte. Der Angeklagte Staps stellt dem Zeugen Fragen, bekommt aber kaum Antworten. Staps: „Das ist halt Klassenjustiz“
von PLUTONIA PLARRE
Der Zeuge würdigte den Angeklagten keines Blickes, als er den Gerichtssaal betrat: „Nein, ich kenne Herrn Staps nicht persönlich, nur aus der Presse, gab Pedro D., Geschäftsführer einer Immobilienfirma, gestern betont gelassen zu Protokoll.
Das war zu viel für den langhaarigen Mann auf der Anklagebank: „Sie haben mir meine Wohnung geraubt!“, rief der 41-jährige Olaf Staps empört. Daraufhin der Zeuge, leicht gereizt, an das Gericht gewandt: „Ich habe ihm keine Wohnung geraubt. Er hat das ganze Haus angezündet.“
Die Szene charakterisiert, wie unterschiedlich die Sichtweisen im Prozess gegen Olaf Staps sind, der sich seit einer Woche wegen Störung des öffentlichen Friedens durch die Androhung einer Straftat sowie schwerer Brandstiftung vor dem Landgericht verantworten muss. Im Mittelpunkt steht ein Angeklagter, der sich als Opfer einer profitorientierten Wohnungs- und Sanierungspolitik fühlt, bei der die Bewohner auf der Strecke bleiben. Verantwortlich macht er dafür nicht nur eine Privatfirma, sondern auch die PDS. Einer PDS-nahen Baustadträtin wirft er vor, diese habe nicht verhindert, dass er im September 1999 seine Wohnung in der Grünberger Straße 52 in Friedrichshain verlor. Aus Protest gegen die Immobilienfirma, die ihm fristlos gekündigt hatte, hatte er, wie er selbst sagt, „als Notwehrakt“ in dem leer stehenden Haus Feuer gelegt. Aber auch mit der PDS hatte Staps abgerechnet, indem er im Januar 2000 in Drohbriefen angekündigt hatte, den PDS-Gedenkmarsch für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht mit Maschinenpistolen und Handgranaten anzugreifen. „Die rechtsradikale Verbrecherbande der PDS“, so Staps, sei mit schuld daran, dass er „seiner Wohnung beraubt worden“ sei.
Wegen dieser Drohung war der Gedenkmarsch aus Sicherheitsgründen um eine Woche verschoben worden. Die Drohung gegen die PDS-Veranstaltung sei aber nicht ernst gemeint gewesen. Es sei darum gegangen, „Öffentlichkeit herzustellen“.
Die Frage ist, ob das Gericht Staps glaubt, die Tat nicht wiederholen zu wollen. Nachdem Staps eine psychiatrische Begutachtung mit der Begründung abgelehnt hat, er lasse sich nicht in den Kopf gucken, wird in der mündlichen Verhandlung nun jede seiner Regungen von einem im Saal anwesenden Gerichtspsychiater registriert. Für die Beurteilung der Frage, ob von Staps eine Gefahr ausgeht, war der gestrige Prozesstag von besonderer Bedeutung. Zum ersten Mal in seinem Leben traf Staps im Gerichtssaal persönlich mit dem Mann zusammen, dem er stellvertretend für das Wohnungssystem die Schuld an seinem ganzen Übel gibt. „Wir haben noch nie so einen Fall gehabt“, sagt der Geschäftsführer der Immobilienfirma, Pedro D. Als seine Firma das Haus übernommen habe, habe sich Staps geweigert, an der Sanierung teilzunehmen. Das sei sein gutes Recht. „Sie können keine Mieter zum Auszug zwingen. Die Stadtsanierung ist ungemein kulant.“ Der Firma sei nichts anderes übrig geblieben, als „um Staps Wohnung drum herumzubauen“. Als Stapf jedoch bereits gelegte Heizungsrohre zersägt und diese in den Hof geworfen habe, so Pedro D., habe man dem letzten der Mieter fristlos kündigen müssen.
Vor und nach dem Brand sei er in zahlreichen Briefen von Staps persönlich diffamiert worden, berichtete der Geschäftsführer. Er und die Firma hätten monatelang unter Polizeischutz gestanden. „Ein Mann, der ein Haus anzündet und eine Demonstration zum Platzen bringt, ist unberechenbar.“
Staps wühlte die Begegnung mit Pedro D. sichtlich auf. Zunächst unterbrach er den Zeugen mehrfach. Ob die wiederholten Wassereinbrüche in seiner Wohnung Zufall gewesen seien, fragte er und hob zu langen Ausführungen über den „Bauterror“ in dem Haus an. „Oder haben Sie ein bisschen nachgeholfen, damit ich aus meiner Wohnung ausziehe?“ Auch die genauen Millionenbeträge, die die Firma für die Sanierung bekommen habe, wollte er wissen. Die meisten Fragen brauchte der Zeuge jedoch nicht zu beantworten, weil das Gericht sie als „nicht zur Sache gehörend“ einstufte. „Na gut“, strich Stapf zu guter Letzt die Segel. „Das ist halt Klassenjustiz pur, wenn das alles nichts zur Sache tut.“ Der Prozess wird nächsten Freitag fortgesetzt.
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