: Kein Impfstoff für Kinder gegen Zeckeninfektion
Zurzeit ist nur ein Impfstoff gegen die von Zecken übertragene Gehirnhautentzündung zugelassen. Der ist jedoch nur für Erwachsene
Zecken haben sich durch die milden Winter der vergangenen Jahre stark vermehrt. Immer mehr Menschen werden von ihnen angefallen. Dabei übertragen diese Spinnentiere neben der Borreliose die weitaus gefährlichere Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Das ist eine Virusinfektion, die Gehirn und Rückenmark angreift und manchmal tödlich verläuft. Fachleute empfehlen, sich gegen FSME impfen zu lassen. Für Kinder unter zwölf Jahren allerdings gibt es derzeit keinen geeigneten Impfstoff in Deutschland.
Nördlich des Mains kommt der FSME-Erreger nicht vor. Aber in vielen südlichen und östlichen Urlaubsländern ist er weit verbreitet. In Deutschland zählen Bayern und Baden-Württemberg zu den Hochrisikogebieten. Im Ausland sind es unter anderem die baltischen Staaten, Österreich und Ungarn (www.rki.de).
Experten empfehlen allen, die zum Campen, Wandern oder Angeln in diese Gebiete reisen, sich gegen FSME impfen zulassen. Dreimal muss geimpft werden, bis ein fast hundertprozentiger Schutz besteht. Die ersten beiden Spritzen gibt der Arzt innerhalb von vierzehn Tagen, die dritte nach neun bis zwölf Monaten. Schon nach der zweiten Impfung ist der Patient zu 90 Prozent vor einer FSME-Infektion geschützt. Nach etwa drei Jahren ist eine Auffrischung notwendig.
Zurzeit gibt es in Deutschland nur noch einen zugelassenen Impfstoff (Enzepur). Ein zweiter wurde kürzlich vom Hersteller aus dem Handel genommen, weil vor allem bei Kindern Fieber bis über 40 Grad Celsius, Fieberkrämpfe und sehr starke Grippesymptome auftraten. In Absprache mit dem Paul-Ehrlich-Institut, zuständig für die Zulassung von Impfstoffen, nahm das Pharmaunternehmen daher sein Serum TicoVac vom Markt.
Da Enzepur für unter Zwölfjährige nicht zugelassen ist, gibt es hierzulande keinen Impfstoff mehr für Kinder. Das sei aber nicht so schlimm, wie es klingt, meint jedenfalls Michael Pfleiderer, Fachgebietsleiter für Virus-Impfstofffe am Paul-Ehrlich-Institut: „Kinder sind mehr durch die Impfung gefährdet als durch die FSME. Selbst wenn sie daran erkranken, ist der Verlauf so milde und ohne Folgeschäden, dass bei Kindern unter zwölf Jahren darauf verzichtet werden kann.“
Ganz anderer Meinung ist dagegen Jochen Süss vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz in Berlin: „Die Gefährdung von Kindern durch FSME wird heruntergespielt, weil zurzeit kein Serum vorhanden ist.“ FSME sei zwar besonders für ältere Erwachsene eine schwere Erkrankung mit möglicherweise bleibenden Folgeschäden. Aber auch Kinder leiden daran und es dauert oft Wochen, bis sie sich völlig erholt haben. Das sei weder Kindern noch Eltern zuzumuten, meint Süss. „Man muss jetzt Druck machen auf Hersteller und Zulassungsbehörden, damit in Deutschland wieder ein Impfstoff für unter Zwölfjährige bereitsteht.
In Österreich beispielsweise sind neun von zehn Einwohnern gegen FSME geimpft. So konnte die Zahl der FSME-Fälle von rund 1.000 auf jetzt nur noch 100 Erkrankungen jährlich gesenkt werden. Auch Kinder unter zwölf Jahren werden dort geimpft, denn es gibt ein zugelassenes und geeignetes Serum.
Wer in Hochrisikogebieten Urlaub macht, also beispielsweise im Schwarzwald oder in Österreich wandern will, sollte sich und seine Kinder impfen lassen, rät Süss: „Jeder kann sich über seinen Hausarzt den Impfstoff aus Österreich bei der Internationalen Apotheke bestellen. Wenn man dann in der Praxis unterschreibt, dass es auf eigenes Risko geschieht, können Kinder mit diesem Mittel geimpft werden“. Das Risiko für Nebenwirkungen trägt dann jedoch jeder selbst.
THOMAS SCHÜLLER
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