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„Wir wussten nicht, wo wir suchen sollten“

Im Prozess gegen Olaf Staps muss die Polizei zugeben, dass sie bei der Fahndung lange keine Anhaltspunkte hatte

Selten tappte die Berliner Polizei bei einer Fahndung so im Dunkeln, wie im Fall des Drohbriefschreibers Olaf Staps: „Wir wussten nicht, wo wir in erster Linie suchen sollten“, berichtete gestern ein Staatsschutzbeamter als Zeuge vor Gericht. Normalerweise habe man Anhaltspunkte in welchem „Milieu“ der Gesuchte sich aufhalten könnte. Aber Staps habe weder Freunde noch Bekannte gehabt. So etwas sei „sehr ungewöhnlich“.

Der 41-jährige Olaf Staps steht wie berichtet wegen schwerer Brandstiftung und Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung einer Straftat vor dem Landgericht. Aus Protest gegen seine drohende Zwangsräumung und gegen die „profitorientierte Sanierungspolitik“ hatte er im September 1999 zuerst in dem leer stehenden Wohnhaus in der Grünberger Straße 52 in Friedrichshain Feuer gelegt. Danach hatte er gedroht, den PDS-Gedenkmarsch für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im Januar 2000 mit Handgranaten und Maschinenpistolen anzugreifen, weil er die PDS für seine Obdachlosigkeit mit verantwortlich machte. Passiert war letztendlich nichts.

„Die Polizei und Teile der PDS haben die Drohung sehr ernst genommen“, sagte gestern der Staatsschutzbeamte. Wegen der vorangegangenen Brandstiftung habe man aber mit dem Schlimmsten rechnen müssen. Er könne sich nicht erinnern, dass eine Bombendrohung jemals so einen immensen Polizeieinsatz zur Folge gehabt habe wie im Fall Staps.

Auch von seinen Eltern habe man keine Hinweise auf einen möglichen Aufenthaltsort des Gesuchten erhalten können, so der Zeuge. Staps habe schon zu DDR-Zeiten jeglichen Kontakt zur Familie wegen der angeblichen Systemnähe seines Vaters abgebrochen. Erfahren hatte die Kripo von den Eltern lediglich, dass ihr Sohn sich mit 17 aus Liebeskummer versucht hatte, das Leben zu nehmen, und schon zu Schulzeiten ein „ausgeprägtes Gerechtigkeitsdenken“ hatte.

Während der Fahndung hielt sich Staps ein gutes halbes Jahr auf dem Dachboden des leer stehenden Gefängnisses in Rummelsburg versteckt. Der Vegetarier ernährte sich fast ausschließlich von Konserven und lebte ohne Strom und Heizung. „Schöner Wohnen war das nicht“, so der Kripobeamte. Nach der Festnahme habe er Staps als einen sehr ruhigen, kooperativen Beschuldigten erlebt. „Alles, was er sagte, war glaubwürdig. Er hat nicht versucht, etwas zu verbergen.“ Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt. PLUTONIA PLARRE

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