: Union riskiert interne Kollision
von JAN FEDDERSEN
Diese Chance konnte die Union sich nicht entgehen lassen, da nahm man in der Münchner Staatskanzlei gerne die Empörung des grünen Bundestagsabgeordneten Volker Beck in Kauf. Der hatte den Plan des Bundeslandes Bayern, das Gesetz zu Eingetragenen Lebenspartnerschaften einer verfassungsrechtlichen Normenkontrolle zu unterziehen, als „Rückschritt in die Vormoderne“ gegeißelt. Aber wer ist in Bayern, wo die CSU sich mit einer Mischung aus katholischem Fundamentalismus und High Tech absolut an der Macht hält, wer also ist dort schon Volker Beck, dieser offen homosexuelle grüne Politiker, der seine Anhängerschaft vor allem unter Lesben und Schwulen hat?
Also kündigte man im vorigen Winter eine Verfassungsklage an, der im Frühsommer ein Antrag auf einstweilige Anordnung folgte, demzufolge der Erste Senat des höchsten deutschen Gerichts die Wirksamkeit der – volkstümlich so genannten – Homoehe aussetzt. Sachsen und Thüringen schlossen sich dieser Linie an. Nach Bayerns Auffassung kollidiere die Etablierung der Eingetragenen Partnerschaft (eP) mit Artikel 6 des Grundgesetzes, also mit dem exklusiven Schutz von Ehe und Familie. Die eP sei der Ehe nah verwandt und die Behauptung, sie unterscheide sich wesentlich – kein Adoptionsrecht – von der klassischen Ehe, reine Augenwischerei.
Darüber hinaus klagt Bayern gegen die gesetzgeberische Aufteilung des ursprünglichen rot-grünen Projekts. Kritisiert wird, dass das gesamte Gesetz aufgespalten worden sei in einen zustimmungspflichtigen Teil und in einen, der das Länder-Plazet nicht braucht. Das sei nur ein Trick, um wenigstens einen kleinen Teil des Reformwerks durch die parlamentarischen Mühlen zu bringen.
Deshalb haben die drei klagenden Länder auch während der vergangenen sechs Monate seit Verkündung im Bundesgesetzblatt keine Ausführungsgesetze verabschiedet. Keine bayerische, sächsische oder thüringische Behörde ist momentan darauf eingerichtet, dass vom 1. August an schwule oder lesbische Paare dort ihre „Verantwortungsgemeinschaft“ staatlich anerkennen lassen wollen.
Pikant aber ist, dass diese drei unionsdominierten Länder innerhalb der Bundesrepublik, aber auch innerhalb ihres politischen Spektrums allein agieren. Das Saarland und Hessen, ebenfalls mit CDU-geführten Regierungen an der Spitze, haben frühzeitig dem neuen familienrechtlichen Institut keine Steine in den Weg gelegt – und ihren Kreisen und Städten freigestellt, ob sie homosexuellen Paaren den Segen im Standesamt oder bei einer anderen staatlichen Stelle erteilen wollen. Selbst Baden-Württemberg hat vorige Woche in aller Eile für den Fall, dass es mit der einstweiligen Anordnung nichts wird, eine Sonderregelung vereinbart. Das Standesamt, den säkularen Ort, um klassische Ehen zu schließen, will Bayern, erhält es in Karlsruhe Recht oder nicht, auf alle Fälle für Homopaare schließen. Nötigenfalls, so heißt es in der Münchner Staatskanzlei, beglaubigt man diesen Paaren die eP vor dem Katasteramt – dafür sei der Symbolwert des Standesamts für heterosexuelle Ehen viel zu mächtig.
Noch vertraut man in Bayern auf einen Erfolg mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung. Aber selbst wenn der Erste Senat – an dem für diesen Fall die frühere hessische Justizministerin Christine Hohmann-Dennhardt als Berichterstatterin zuständig sein wird – die Gesetzespraxis zum 1. August stoppte, würde dies nichts über das spätere Votum der Karlsruher Richterschaft besagen. Für eine vorläufige Suspendierung, so ist der Usus, reichen vier der acht Stimmen. Ein höchstrichterlicher Urteilsspruch gegen die Eingetragene Partnerschaft schlechthin benötigte freilich fünf der acht Stimmen.
Eine einstweilige Anordnung, so wäre es zu interpretieren, sollte nur verhindern, dass im Falle einer Normenkollision mit Art. 6 Grundgesetz die bis dahin geschlossenen ePs keine rechtlichen Nachteile erleiden müssen. Denkbar wäre ja beispielsweise, dass am 3. August zwei Frauen eine Eingetragene Partnerschaft vor dem Standesamt, etwa in Hamburg, schließen lassen und eine von beiden zwei Tage darauf einen tödlichen Verkehrsunfall erleidet. In Kraft wäre dann schon das neue Erbrecht, das die Hinterbliebene wie eine Witwe einer heterosexuellen Ehe behandeln würde. Ohne das Gesetz erhielte sie, außer notariell zuvor festgelegten Schenkungen, gar nichts.
Vor den Richtern werden beide Parteien mit prominentem Personal aufwarten: ein Showdown als Auftakt zur parlamentarischen Sommerpause. Verfassungsrechtler finden sich auf beiden Seiten, aber auch Politiker wie Bayerns Innenminister Günther Beckstein, Sachsens Justizminister Manfred Kolbe, die SPD-Bundestagsabgeordnete Margot von Renesse oder ihr Fraktionskollege Manfred Hartenstein. Der Grüne Volker Beck wird ebenso plädieren.
Über die Aussichten zum Hauptverfahren selbst, zu dem Bayern noch keine Klageschrift eingereicht hat, lässt sich naturgemäß nur spekulieren. Viele Juristen wie Monika Frommel von der Universität Kiel sehen das Unionsbegehren als aussichtslos an, zumal das Bundesverfassungsgericht Mitte der Neunzigerjahre einerseits die Öffnung des Art. 6 GG für Homosexuelle abgelehnt hat, zugleich aber staatlich zu fördernde Regelungen für schwule oder lesbische Beziehungen beim Gesetzgeber angemahnt hat.
Am spannendsten ist der gesamte Streit ohnehin für die Union. Auffällig ist nämlich, dass sich in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht genügend Stimmen fanden, die sich Bayerns Klage anschließen wollten. Und seltsam uneinig scheint sich auch die Parteispitze. Als Bayern noch in den Siebzigerjahren gegen den sozialliberalen Kompromiss in der Abtreibungsfrage klagte, sekundierte die Parteispitze (Helmut Kohl) verlässlich mit rhetorischem Getöse. Jetzt, beim Konflikt um die Homoehe, kommt von Angela Merkel oder Friedrich Merz nichts oder wenig. Man wolle sich nicht im Vorwahljahr als Partei profilieren, die gegen homosexuelle Interessen agiere, heißt es in der CDU-Parteizentrale in Berlin.
Martin Herdieckerhoff, Sprecher der „Lesben und Schwulen in der Union“, begrüßt die Normenkontrollklage seiner Parteifreunde aus Bayern: „Dann wird geklärt, was geklärt werden muss. Hat Karlsruhe erst einmal den Daumen gehoben, wird sich die Union mit homosexuellen Lebensformen abfinden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen