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Eleganz und Hüte

Hamburg ist schön: Das muss man ja auch mal sagen: Das Geo Special tut das  ■ Von Peter Ahrens

Manchmal ist es gut, daran erinnert zu werden. Daran, dass Hamburg eine richtig schöne Stadt ist. Daran, dass es hier nicht nur Abschiebung, Brechmittel, soziale Not und Flüchtlingsschiffe gibt, aufmarschierende Neonazis, Lachsbrötchen, eifernde Politrichter und opportunistische Parteipolitiker.

Ab und zu tut dann ein Blick ins neue Geo Special ganz gut. Durch das Heft wirft man einen Blick auf eine Stadt, in der es wohl tut zu leben. Hamburg, die Schöne, das ist Hamburg, die Hafenstadt. Das Geo-Heft widmet sich denn auch ganz ausführlich und in gewohnter Fotoqualität der Majestät, die vom Hafen ausgeht, von den Schiffen, von der Stimmung, frühmorgens auf dem Kai neben dem Buddy-Holly-Theater zu stehen und auf die Landungsbrücken zu gucken. Die Hafenstraße, der Fischmarkt, die Speicherstadt, die Container von Waltershof – hunderttausendfach abgebildet, die Realität als Postkarte und trotzdem immer noch beeindruckend.

„Die ganze Pracht der Hansestadt“ überschreibt Geo ihre aktuelle Pressemitteilung zu dem Jubiläumsheft – seit 20 Jahren werden bei Gruner&Jahr mittlerweile die Geo Special-Hefte herausgegeben, die sich ausschließlich einem Land, einer Stadt, einer Region widmen. Die ganze Pracht der Hansestadt – das sind die Kornspeicher, das ist immer noch auch die Reeperbahn, das ist natürlich Hamburger Hip-Hop, das ist die Alster im Sommer, das ist Kampnagel und die Staatsoper. Mit einer netten Idee der Redaktion übrigens: Corny Littmann darf über die Staatsoper schreiben, St. Pauli-Profi Markus Lotter über den Mojo-Club und Kabarettist Dirk Bielefeld übers Schauspielhaus. Und dass es in Hamburg insgesamt weniger regnet als in München und hier die Schwimmflügel erfunden wurden (und erstmals im Kellinghusen-Bad getestet), ist ja auch mal ganz interessant zu erfahren.

Man weiß schließlich nie, ob man das nicht irgendwann einmal gebrauchen kann. Man merkt: Es ist der Redaktion eine echte Herzensangelegenheit, ihre Stadt zu präsentieren.

Zu zeigen, wie man in der Hafenstraße wohnt, im Hausboot an der Süderelbe und in der Kai-Wünsche-Villa an der Alster. Und beim Bilderrätsel Ecken der Stadt auszusuchen, die man ganz sicher glaubt zu kennen, aber man kommt einfach nicht drauf, wohin man sie genau verorten soll.

Der umfangreiche Service-Part, Bestandteil jeder Special-Ausgabe tut sein Übriges und verrät sogar noch ein paar Adressen, die auch HamburgerInnen nicht sofort geläufig sind. 219 Seiten Eleganz, manchmal gar Witz, gute Recherche und überraschende Einfälle.

Und mittendrin, plötzlich: Die Reportage von Edelschreiber Mario Kaiser über die Berzeliusstraße in Billbrook. Da ist nichts mehr mit Zuckerguss, nichts mehr von Groß-Flottbek-Derby-schicke-Hüte-Atmosphäre, nichts mehr von „Wir sind Hamburg“-Ausdünstung. Kaiser sagt selbst, er habe vorher nicht für möglich gehalten, dass es eine solche Straße mit so viel Armut und sozialem Elend in einer Stadt wie Hamburg geben könne. Es gibt sie, und Kaiser zeichnet seine Sozialreportage so, dass all das, was vorher war und den Sinnen so sehr geschmeichelt hat, fast wieder vergessen ist. Hamburg ist eben auch Abschiebung, Brechmittel, Flüchtlingsschiffe und soziale Not. Und das Geo Special tut gut daran, auch daran zu erinnern.

Die Jubiläumsausgabe des Geo Special: Hamburg kostet 15,30 Mark und ist an allen Kiosken zu erhalten.

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