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Mit Pferd und Penelope

Bübchens Investmentfonds: Billy Bob Thorntons Spätwestern „All die schönen Pferde“ weint der stacheldrahtlosen Natur und den Männermythen der Cowboys hinterher. Matt Damon wird zur Projektion des Müll trennenden Kleinbürgers, der von alten Ritualen und einer neuen Initiation träumt

von BIRGIT GLOMBITZA

Zwei Jungs, die Kerle werden wollen, liegen am Lagerfeuer. Die Kühe sind zusammengetrieben, die Pferde gestriegelt, die Lassos enttüdelt. Die zwei schauen in die Sterne, schwärmen von Ländern ohne Kuhzäune und fragen sich, ob Cowboys wohl in den Himmel kommen. „Glauben? – Das ist das, was du draus machst!“, raunt John Grady Cole (Matt Damon) seinem Freund Lacey Rawlins (Henry Thomas) zu. Ein Statement, das aus Damons Mund hängt wie das Sprechband einer Investmentfonds-Werbung. Dabei war es einst diese Ideologie, mit der die Männer auf der Leinwand zur Besiedlung gen Westen zogen. Schließlich war der Western die große Erzählung der bürgerlichen Gesellschaft Nordamerikas und ihrer Grundfesten Freiheit, Tapferkeit und Privateigentum.

„All die schönen Pferde“ hat mit dieser Zivilisationsgenesis nicht mehr zu schaffen, als noch einmal, vom Texas des Jahres 1949 aus, das Ende des Mythos zu beklagen. Die Natur ist längst kultiviert, die Angelegenheit mit den Indianern ebenfalls erledigt. Das wussten bereits die Ökomärchen der 90er von „Der mit dem Wolf tanzt“ bis „Rapa Nui“ und bedienten die Sehnsucht der Überzivilisierten nach einer recycelbaren Ursprünglichkeit. Und vieles spricht dafür, Matt Damons Figur als eine Projektion des Müll trennenden Kleinbürgers zu verstehen, der von der Rückgewinnung der Natur und zugleich einer neuen Initiation träumt. Doch zuerst muss auch in Billy Bob Thorntons „Spätwestern“ ein Mann tun, was ein Mann eben tun muss. Das heißt in diesem Genre immer noch: Grenzen ausdehnen. Und nachdem Johns Mutter die Ranch des Opas an eine Ölfirma verscherbelt hat, geht er mit Lacey nach Mexiko.

Ein vorindustrieller Flecken Erde, in dem man keine elektrischen Zäune, keinen Straßenbau und keine Scheidungen kennt. Die Burschen heuern als Cowboys bei einem Großgrundbesitzer an, doch Johns verbotene Liebe zur Arbeitgebertochter Alejandra (Penelope Cruz) gefährdet Arbeit und Freundschaft. Bald beginnt eine Odyssee, auf der sie eine Menge schmierige Barbaren treffen, die sogar Kinder erschießen und die beiden Gringos als Pferdediebe einsperren. Ein schlimmes Land, so schlimm, dass eine Frau hier mit ihrer Unschuld auch jeden gesellschaftlichen Halt verliert. Darüber staunt der Film in einer schwer erträglichen Mischung aus Naivität und Nationalismus. Schließlich konnte auch im Texas der 40er eine Frau mit zweifelhaftem Ruf nicht ohne Getuschel zum Bäcker gehen.

Dass „All die schönen Pferde“ insgesamt überaus fahrig, sprunghaft und ziellos wirkt, mag daran liegen, dass der Film von drei Stunden auf 116 Minuten gestutzt wurde. Fast willkürlich wechseln sich Interieurs und Landschaftsaufnahmen, Nahaufnahmen und pittoreske Tableaus ab, mühevoll aufgeputzt durch rote und gelbe Farbfilter, die den Bildern von vornherein eine weltferne, altmodische Anmutung geben. Indem die Erzählung den Fokus auf Matt Damon legt, der in jeder Beziehung als Grenzgänger zwischen Mexico und den USA, zwischen Großbürgertum und dessen Angestellten, (eben den Cowboys), zu vermitteln sucht, präsentiert sie zwangsläufig abgewirtschaftete Männerituale und Klischees. Doch anstatt die Motive eines klassischen Männer-Genres ironisch zu überdrehen oder den Frontier-Geist gegen die Folgen der Moderne anrennen zu lassen, zelebriert der Film das Kräftemessen der Kerle ohne jeden Humor. Da bohren sich Blicke ineinander, da wird Seite an Seite mit dem Buddy Unschuld, Pferd und Ehre verteidigt und jeder Schmerz kurz zwischen den Backenzähnen zermahlen. Bei Damons Bübchengesicht, das einfach nicht zur Cowboymiene taugt, hat das fast schon etwas Rührendes. Dass Thornton seinen Helden zudem häufig in affigen Posen als Reiterbild erstarren lässt, verschleißt ihn vor lauter Pathos nur umso schneller.

Natürlich hat das alles auch mit Triebverzicht zu tun, der seit jeher zum Job eines Frontiers gehört. Der Held erobert Land, füttert Vieh und keine Kinder. Da sind einem Pferde näher als das andere Geschlecht. Erst nachdem das Landwirtschaftliche unter Kontrolle ist, widmet sich der Cowboy einer neuen Grenzerweiterung. Und die heißt „Frau“. Doch Penelope Cruz ist, anders als viele ihrer Vorgängerinnen, selbst für einen Schnösel wie John keine komplizierte „Landnahme“, sondern praktischerweise gleich „Besitz“. Der Kampf zwischen Schwiegervater und -sohn – eine überspannte Eigentumsdebatte. So ist neben Religion, Land, Pferd schließlich auch die Frau „das, was du draus machst“.

„All die schönen Pferde“. Regie: Billy Bob Thornton. Mit: Matt Damon, Henry Thomas, Penelope Cruz u. a. USA 2000, 116 Min.

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