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Sachlich, differenziert, unaufgeregt

Die Bundesregierung stellt den ersten Periodischen Sicherheitsbericht vor: Der Erwerb und Besitz von Cannabis bleibt verboten. Die Videoüberwachung öffentlicher Plätze könne ein geeignetes Mittel der Kriminalitätsprävention sein, meint Otto Schily

von SEVERIN WEILAND

Auch unter Rot-Grün bleibt der Griff zur Haschischzigarette ein illegaler Akt. Die Bundesregierung beabsichtige nicht, „das grundsätzliche und strafbewährte Verbot des Besitzes und Erwerbs von Cannabis aufzuheben“. So steht es, schwarz auf weiß, in dem Periodischen Sicherheitsbericht, der gestern in Berlin vorgestellt wurde.

Begründet wird die restriktive Handhabung mit internationalen Verpflichtungen und den Erfahrungswerten der vergangenen Zeit: Trotz neuerer Erkenntnisse über die Gefährdung durch Cannabis sei diejenige Gruppe von Jugendlichen gewachsen, die „riskante Konsummuster aufweisen“. Zugenommen habe auch die Zahl der Klienten in Beratungs- und Betreuungseinrichtungen, die „mit einer primären Cannabisproblematik behandelt werden“.

Allerdings weist der Bericht, für den Bundesinnenminister Otto Schily und Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, beide SPD, verantwortlich zeichnen, ausdrücklich darauf hin, dass ein differenzierter Umgang den Verfolgungsbehörden seit langem möglich ist und auch angewandt wird – auf Grundlage des Betäubungsmittelgesetzes und nicht zuletzt erleichtert durch die Cannabisentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1994. Damals hatte Karlsruhe in einem viel beachteten und kritisierten Urteil entschieden, dass von einer Strafverfolgung „grundsätzlich abzusehen“ sei, wenn „Cannabisprodukte nur in geringen Mengen und ausschließlich zum gelegentlichen Eigenverbrauch erworben oder besessen werden“.

Der Periodische Sicherheitsbericht ist der erste seiner Art. Darin wird mit Hilfe von Experten das Zahlenmaterial der Polizei und Strafverfolgungsbehörden durch wissenschaftliche Erhebungen ergänzt. Der Bericht sei ein „erster Ansatz zu einer vertieften Diskussion“ über Kriminalitätsentwicklung und Vorbeugung, so Schily.

Däubler-Gmelin verwies darauf, dass die Zahl der Insassen in Gefängnissen trotz zurückhaltender Urteile deutlich zugenommen hat. Es sei zu überlegen, ob Personen, die wegen einer nicht bezahlten Geldstrafe Hafstrafen verbüßen, nicht in stärkerem Maße zu gemeinnütziger Arbeit herangezogen werden sollten. Die Geldstrafe sei immerhin mit einem Anteil von 80 Prozent die am häufigsten verhängte Strafe.

Von 1990 bis 1998 wurde laut Bericht bei den Freiheitsstrafen ein Anstieg um 27 Prozent, bei den Jugendstrafen um 45 Prozent verzeichnet – überwiegend durch Männer. Im März 2000 waren nur rund 3.500 Insassen Frauen, das entspricht rund 4 Prozent aller Straf- und Untersuchungsgefangenen sowie Insassen von Jugendstrafanstalten.

Der Bericht vermittelt ein differenziertes Bild der Kriminalitätsentwicklung. Bei den Jugenddelikten wird, indirekt, Kritik an sensationshaschender Medienberichterstattung geübt: Die gerne vermeldete Anstieg der Jugenddelinquenz sei unter anderem durch eine stärkere Kontrolldichte verursacht, insbesondere auf dem Gebiet des Ladendiebstahls. Hier und bei der Sachbeschädigung würden rund 86 Prozent aller Fälle registriert. Bei 50 Prozent aller angezeigten Raub- und Betrugsdelikte bei Jugendlichen liege der angerichtete Schaden unter 25 Mark.

Fast jeder dritte Tatverdächtige zwischen 14 und 21 Jahren war 1999 bei der Gewaltkriminalität ein Nichtdeutscher. Als eine Ursache nennt der Bericht Bericht die gegenüber Deutschen größere soziale Benachteiligung. Zudem seien nichtdeutsche Jugendliche in weit höherem Maße vom Risiko einer Anzeige betroffen. Auch wird als mögliche Ursache eine im Vergleich zu Deutschen unterschiedliche Auffassung über männliche Dominanz angemerkt.

Eine klare Absage erteilt der Bericht einer Absenkung des Strafmündigkeitsalters von 14 auf 12 Jahre. Befürchtet wird im Falle einer Änderung eine Stigmatisierung mit allen negativen Folgen, stattdessen sollte das Rechts- und Wertebewusstsein der Kinder gestärkt werden.

Den Einsatz von Videokameras an Kriminalitätsbrennpunkten im öffentlichen Raum hält die Bundesregierung hingegen für ein „geeignetes Mittel zur Vorbeugung und Aufklärung von Straftaten“ und zur Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bürger.

Im Internetbereich wird angeregt, die Bereitstellung von Virusprogrammen (außer für Hersteller von Antivirenprogrammen) künftig unter Strafe zu stellen.

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