Pass gesperrt, Gipfel gerettet?

Um zu verhindern, dass Globalisierungsgegner zum Wirtschaftsgipfel nach Genua reisen, verhängt Innensenator Körting (SPD) Reisebeschränkungen

Das Verwaltungsgericht Berlin muss heute entscheiden, ob die Einschränkung der Reisefreiheit für polizeibekannte Globalisierungsgegner im Vorfeld des G-8-Gipfels in Genua zulässig ist. Am Donnerstag vergangener Woche erhielten mindestens sieben Personen in Berlin Besuch von Beamten des Landeskriminalamts (LKA). Die Betroffenen müssen sich nun über einen Zeitraum von sieben Tagen – bis zum Ende des Gipfeltreffens – täglich vor 12 Uhr mittags persönlich bei der Polizei melden. Andernfalls droht ihnen eine Strafe von 2.000 Mark. Begründet wird die Meldepflicht in einigen Fällen mit laufenden Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Göteborger EU-Gipfel vor knapp einem Monat.

Zudem wurden über das Landeseinwohneramt die Ausweisdokumente der Betroffenen bis zum 22. Juli für alle Anrainerstaaten Deutschlands – inklusive Italien – gesperrt. Lediglich Reisen nach Dänemark und in die Beneluxstaaten sind erlaubt. Rechtliche Grundlage dafür ist seit den Ausschreitungen bei der Fußball-Europameisterschaft 1998 der so genannte Hooligan-Erlass. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte in Hinblick auf die von Sicherheitsbehörden prognostizierte Teilnahme von Berliner Autonomen an den Protesten in Genua erklärt, es gebe „kein Grundrecht auf Ausreise“.

Demgegenüber bezeichnete Wolfgang Kaleck, Bundesvorsitzender des Republikanischen Anwaltsvereins, das Vorgehen der Innenbehörde als „Einschränkung elementarer Grundrechte wie Reise- und Meinungsfreiheit“. Er fühlt sich an „DDR-Verhältnisse erinnert, wo unliebsame Personen Berlin-Verbot erhielten“, und hofft, dass das Gericht den Eilanträgen gegen die Meldeauflagen stattgeben wird.

Auch die schon vor dem 1. Mai praktizierte so genannte polizeiliche Gefährdeansprache wird im Vorfeld des „Gipfelsturms von Genua“ wieder aufgelegt. Grundlage ist die von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) mehrfach genannte bundesweite Landesfriedensbruchs-Datei. Der Berliner Ermittlungsausschuss teilte mit, dass mindestens zwei Dutzend Männer und Frauen entsprechende Briefe vom LKA erhalten haben. Die Adressaten würden darüber belehrt, dass das Land Berlin Gewalttaten auch im Ausland nicht hinnehmen werde, und – für den Fall einer Teilnahme an den Protesten in Genua – aufgefordert, gewaltfrei zu demonstrieren.

Während der Ermittlungsausschuss auch in diesen Fällen rechtliche Schritte erwägt, ist man andernorts noch immer mit den Nachwehen von Göteborg beschäftigt. Am kommenden Mittwoch will die schwedische Staatsanwaltschaft Anklage gegen zwei junge Männer aus Berlin erheben, denen die Teilnahme an den gewaltsamen Protesten während des EU-Gipfels vorgeworfen wird. Hans-Christian Ströbele, Bundestagsabgeordneter der Grünen, kritisierte, dass die Verdächtigen seit Wochen ohne konkrete Tatvorwürfe in Isolation und ohne Kontakt zu Angehörigen und deutschen Anwälten inhaftiert seien. „Widerstand gegen Neoliberalismus ist noch kein Straftatbestand“, sagte Ströbele. HEIKE KLEFFNER