: Ende des Ernährers
Mit der neuen Rolle des Vaters als Erzieher, so eine Studie des Familienministeriums, fangen die Probleme erst an
BERLIN taz ■ Das „Comeback der Mutter“ verkündet zwar der Spiegel diese Woche – empirische Belege dafür, dass die neuen Mütter dauerhaft ihren Beruf aufgeben wollen, lassen sich aber vorerst nicht finden. Was dagegen seit neuestem als erwiesen gelten darf, ist das Phänomen des neuen Vaters.
Ihn gibt es tatsächlich, das dokumentiert die erste repräsentative Väter-Studie Deutschlands, die Wassilios Fthenakis und Beate Minsel vom Münchner Staatsinstitut für Frühpädagogik im Auftrag des Familienministeriums erstellt haben. 71 Prozent der befragten Männer und 75 Prozent der Frauen stellen sich den Vater nicht mehr als „Ernährer“ vor, also als Vollzeitkarrieristen mit familiärem Anhang, sondern wollen ihn als „Erzieher“ verstanden wissen – der so kompetent Windeln wickelt und Schularbeiten betreut wie er im Job denSchreiber oder Hammer schwingt. „Wir haben eine neue soziale Norm für Vaterschaft“, konstatiert Fthenakis, der die Studie gestern gemeinsam mit Ministerin Bergmann in Berlin vorstellte.
Mit dem neuen Vaterbild allerdings fangen die Probleme erst an. Denn mit ihm korrespondiert zwar noch die Auffassung kinderloser Paare über ihre zukünftige Aufgabenverteilung: Knapp 70 Prozent der babybezogenen Aufgaben sollten von den Eltern zu gleichen Teilen übernommen werden. Aber wenn das erste Kind geboren ist, haben es die neuen Eltern mit ihren egalitären Vorstellungen schwer: Etwa die Hälfte der Aufgaben, die sich mit dem Neuankömmling einstellen, erledigen de facto die Frauen. All die schönen Pläne konterkariert ein schnöder Befund der Studie: „Der Karriereverzicht wird von den meisten Befragten abgelehnt.“ Deshalb kommt es zu einer Konstellation, die der Soziologe Ulrich Beck einmal als „verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre“ bezeichnet hat. In Zahlen: Obwohl es theoretisch vor neuen Vätern nur so wimmeln müsste, nehmen sich praktisch nur 1,6 Prozent aller Väter so viel Zeit fürs Kind, dass sie Erziehungsurlaub beantragen.
Allerdings lehnen auch, und das dürfte neu sein, die Mütter den Karriereverzicht zugunsten des Kindes ab. Eine Renaissance der klassischen Mutterrolle ist also empirisch nicht zu belegen – dafür aber jede Menge Probleme. Weil die Kinderbetreuung weiterhin von der Frau erledigt wird, die jungen Eltern aber eigentlich ein anderes Konzept verwirklichen wollten, gibt es nun Ärger. Die Paare, so wiesen die Wissenschaftler nach, reden weniger miteinander, streiten häufiger. Kurz und soziologisch: Die Qualität der Partnerschaft sinkt. Fliehen die jungen Väter manchmal geradezu in die vermeintliche Sicherheit der Ernährerrolle zurück, wie die Studie feststellt, so sind aber auch die Frauen nicht ganz unschuldig daran: Signalisieren sie deutlich, dass sie das egalitäre Konzept nun auch durchziehen und in den Beruf zurückkehren wollen, so lassen sich Väter durchaus überzeugen, mehr Aufgaben in der Familie zu übernehmen. Auch Arbeitgeber und Kollegen haben dann eher Verständnis, wenn in der Arbeitszeit mal telefonisch Kindertränen getrocknet werden müssen. Mütter aber, die so viel Geschmack an ihrer Rolle finden, dass sie nicht mehr ans Geld verdienen denken, können weder vom Partner noch von dessen Chef viel Unterstützung erwarten. HEIDE OESTREICH
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