: Spontandemo: „Genua – das war Mord!“
Mehrere hundert Menschen protestieren gegen die Erschießung des Globalisierungsgegners Carlo Giuliani
Wer sagt denn, dass es am Love-Parade-Wochenende keine politische Demonstration gibt? Am Samstagnachmittag zogen etwa 600 Linke von der Dessauer Straße über den Potsdamer Platz zum Willy-Brandt-Haus, der SPD-Zentrale. In Hörweite der Beats und vorbei an Love-Parade-BesucherInnen demonstrierten sie anlässlich des Todes des italienischen Globalisierungsgegners Carlo Giuliani, der 24 Stunden zuvor von einem Polizisten in Genua erschossen worden war.
Gegen 16 Uhr hatten sich mehrere hundert Leute vor der italienischen Botschaft in der Dessauer Straße nahe dem Anhalter Bahnhof versammelt. Der Schock über den Tod eines Gipfelgegners stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Die Polizei, die die Botschaft abgeriegelt hatte, wurde mit Mörder- und Assassini-Rufen beschimpft. „Für die Macht der Reichen gehen sie über Leichen“, skandierten die versammelten GlobalisierungsgegnerInnen.
Die Polizei – viele der Beamte wirkten angespannt, einige aggressiv – bemühte sich, die Situation ruhig zu halten. Zwei Beamte zündeten sogar zum Gedenken an den durch einen italienischen Kollegen Erschossenen kleine Kerzen an, wie es viele DemoteilnehmerInnen vorgemacht hatten. Die Kundgebung vor der italienischen Botschaft und die anschließende Demonstration waren kurzfristig angemeldet worden. Redebeiträge aus dem Lautsprecherwagen drückten den Schock und die Wut über die Todesschüsse aus. Ein Redner nannte die Ereignisse eine Folge „der polizeistaatlichen Unterdrückung der GlobalisierungsgegnerInnen“ durch Ausreiseverbote nach Genua und die militärische Abriegelung des dort stattfindenden G-8-Gipfels.
Viele TeilnehmerInnen der ohne Auseinandersetzungen verlaufenden Demonstration zogen mit Zielscheiben an den PolizistInnen vorbei – aufgemalt auf die Stirn oder Schläfe. „Don’t shoot me“, hatte eine junge Frau auf ihr T-Shirt geschrieben.
Ebenfalls aus Protest gegen den Tod Carlo Giulianis besetzten am Samstagabend etwa 20 Linke das Berliner Studio des ZDF. Die Eindringlinge wurden von der Polizei abgeführt. Anschließend versammelten sich vor dem Studio erneut etwa 150 GlobalisierungsgegnerInnen und skandierten „Genua – das war Mord!“ und andere Parolen. Nach Handgreiflichkeiten wurden sie Richtung Friedrichstraße abgedrängt.
Am Sonntag demonstrierten noch einmal etwa 200 Menschen gegen Polizeigewalt und die Schüsse von Genua. Der Zug vom Pariser Platz zur italienischen Botschaft verlief ohne Zwischenfälle. BARBARA JUNGE
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