: Pressepanzer, Panzerpresse
Im Krieg bringe es „gar nichts, Journalisten an der Nase herumzuführen“ – sagen hochrangige Exmilitärs. Ihr Berufsstand beweist of genug das Gegenteil. Nachbemerkungen zur Tutzinger Tagung „Internationales Krisenmanagement und Medien“
von TINO MORITZ
Tomorrow never dies. 007 musste vor vier Jahren nicht umsonst ausgerechnet gegen einen Medien-Tycoon ran: Elliot Carver war gar zu sehr darauf versessen, die Schlagzeilen von morgen selbst zu produzieren und den Atommächten meuchelnderweise dazwischenzufunken. Beinahe hätte er dann auch seinen ganz persönlichen Weltkrieg bekommen – wenn nicht Kollege Bond im Auftrag Ihrer Majestät für das Wohlergehen des Planeten akkurat zurückgemeuchelt hätte.
Nun sind es nicht nur James-Jünger, die sich ernsthaft darum sorgen, wer die Menschheit vor den wirklichen Carvers retten könne – zumal vor solchen Strolchen, die Kriege nicht kredenzen, sondern madig machen wollen: „Inwiefern können Medienberichte politisch und militärisch sinnvolle Aktionen delegitimieren und damit mittel- und langfristig unmöglich machen?“, fragte kürzlich die Akademie für Politische Bildung Tutzing, um gemeinsam mit der Nato-nahen Deutschen Atlantischen Gesellschaft zum Forum „Die Macht der Bilder. Internationales Krisenmanagement unter den Bedingungen der globalen Präsenz der Medien“ einzuladen. Weil die Welt nicht genug ist, schickten die Veranstalter eine weitere, im Jahre zehn nach gefakten Golfkriegsbildern und zwei nach Rudolf Scharpings Kosovo-Märchen ziemlich außerirdische Frage hinterher: „Versuchen auch rechtlich und moralisch legitimierte politische Akteure mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit die Zustimmung zu ihrem Handeln zu erhöhen?“.
Es blieb deutschen Militärs vorbehalten, an einen gewissen Herrn Clausewitz zu erinnern, der es bereits zu Zeiten Metternichs als einen „Hauptzweck beim Kriegführen“ bezeichnet hatte, „die öffentliche Meinung zu gewinnen“. Klaus Reinhardt, ehemals Kfor-Befehlshaber, verwies zugleich auf den israelischen Außenminister Schimon Peres, der jüngst in der Zeit erklärte: „Die Medien gehören zum Arsenal. Heute ist das Fernsehen stärker als ein Panzer.“ Nicht nur dass Reinhardt in zwei Jahren stolze 167 Zeitungs- und 583 Radio- und Fernsehinterviews gegeben haben will – unvergessen blieb ihm auch die Ankündigung eines kosovo-albanischen UCPMB-Kämpfers: „Wir werden den CNN-Effekt nutzen und einen ähnlichen Erfolg wie in Recak haben.“ Das angeblich serbische Massaker von Recak (serbisch: Racak) im Januar 1999 galt der Bundesregierung zumindest offiziell lange Zeit als Wendepunkt in der deutschen Kosovo-Politik – bis Zweifel auftauchten, ob es sich tatsächlich um eine „Hinrichtung von 45 unbewaffneten Personen, darunter Frauen und Kinder“, handelte.
Zweifel, die typisch sind für eine ganze Reihe von so genannten „Mit-Auslösern“ kriegerischer Auseinandersetzungen – erinnert sei etwa an den getürkten Augenzeugenbericht der Tochter des kuwaitischen Botschafters vor dem US-Senat 1990, nach dem irakische Soldaten Brutkastenbabys brutal ermordet haben sollten.
Macht der Bilder
Aus der – zumindest in demoskopiefreundlichen Demokratien unstrittigen – Macht der Bilder einen höheren Einfluss der „vierten Gewalt“ abzuleiten, hieße jedoch die Realitäten professionalisierter Propaganda-Apparate zu verkennen. Der gern kolportierten Legende, nach der der nächste Konflikt genau dort ausbricht, wo sich CNN-Chefreporterin Christiane Amanpour gerade befinde, ist die Frage nach Amanpours Motivationen und Motivatoren unbedingt beizufügen – die Politik hat vielfältige Kanäle und umfangreiche Ressourcen, um Medien in außenpolitischen Krisensituationen in besonderem Maße zu sensibilisieren und zur Fabrikation von Zustimmung zu animieren.
„Manufacturing Consent“ nennt Noam Chomsky diesen Mechanismus, dem sich deutsche Journalisten vor zwei Jahren mehr oder weniger willenlos auslieferten. Längst nicht für alle galt die Maxime, sich wie Veit Lennartz vom Südwestrundfunk „immer automatisch zu fragen, ob nicht genau das Gegenteil von dem Behaupteten richtig sein könne“. Martin Weiss vom ZDF „Heute-Journal“ gab zu, „anfangs zu naiv“ gewesen zu sein: „Ich hätte wissen müssen, dass man auch vom Vertreter des eigenen Landes belogen werden kann.“ Bisher sahen sich Journalisten noch nach jeder Krise zu solcherart Selbstkritik veranlasst – ein Vorgang, der uns wohl auch zwei Jahre nach dem nächsten Krieg heimsuchen wird.
Fehlende Recherche
Distanz ist eine Tugend. „Wenn ein deutscher Verteidigungsminister namens Rudolf Scharping von der Existenz neuer Konzentrationslager im Kosovo spricht, so ist auch das ein Indiz dafür, dass wir über die Inhumanität faschistisch aufgeputschter Serben eigentlich nichts Neues mehr lernen müssen“, hieß es einmal Anfang April 1999 im Radioprogramm von Bayern 2.
Mehr geht eigentlich nicht. Doch die Aufregung um Kommentare wie diesen hielt sich im Vergleich zur diesjährigen Debatte um die ARD-Dokumentation „Es begann mit einer Lüge“ in engen Grenzen. Filmautor Mathias Werth stellte sich in Tutzing erneut dem Vorwurf unredlicher Recherche, mit dem Rudolf Scharping vermutlich nie mehr konfrontiert wird – obwohl selbst der damalige Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, Klaus Naumann, die Existenz des Hufeisenplans nicht bestätigen mochte und Klaus Reinhardt Scharpings KZ-Behauptung eindrücklich ins Reich der Legenden verwies. Ob dort nicht auch die übereinstimmende Aussage beider Exmilitärs hingehört, der Presse selbst als Kriegspartei nie die Unwahrheit zu sagen, weil es „gar nichts“ bringe, „Journalisten an der Nase herumzuführen“?
Naumann hat in ausführlichen und offenen Hintergrundgesprächen „gute Erfahrungen“ mit der Presse gesammelt. Beschweren konnte sich die Nato wirklich nicht, doch dass „nur ein Prozent der eingesetzten Munition danebenging“, hätte der General a. D. gern noch öfter gelesen. Vermisst habe er zudem die Distanz zur „serbischen Lüge“, dass das Racak-Massaker Kampfhandlungen gewesen seien. Medien müssten sich als „Mahner und Beschleuniger“ begreifen und dürften „nie als Helfer der Despoten“ agieren – ein Glück, dass die Despoten immer die anderen sind, sitzen im Westen doch sowieso alle „in einem gemeinsamen Boot: Die Medien haben den Vorteil, dass sie berichten können, wie wir untergehen. Aber dann ist ihr eigener Untergang nicht mehr weit.“
Tomorrow never dies? James, hol schon mal den Wagen!
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