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Keine Aufklärung über Crash

Was lief schief bei EM.TV? Keine Antwort bei Aktionärsversammlung: Exchef Haffa drückte sich. Zur Sanierung will der neue Boss Muppetshow und Formel 1 verkaufen

MÜNCHEN afp/dpa/taz ■ Wenigstens eine Gewissheit konnte der neue Mann verbreiten: „Ohne Wenn und Aber“ werde er die 25,1 Prozent der Anteile am krisengeschüttelten Medienunternehmen EM.TV von seinem Vorgänger Thomas Haffa übernehmen, sagte Werner Klatten gestern vor 3.000 wütenden Aktionären in München. Der Spiegel-Exmanager Klatten soll das Erbe von Haffa antreten, dem Firmengründer und gefeierten Star am Neuen Markt. Doch zu den Anteilseignern seiner Firma EM.TV traute sich Haffa gestern nicht. Er war letzte Woche als Vorstandsvorsitzender zurückgetreten und hatte erklärt, er werde die Hauptversammlung nicht besuchen. Das steigerte die Wut der Anleger noch mehr, die beim Sturz der EM.TV-Aktie von einst 120 auf inzwischen drei Euro oft viele tausend Mark verloren haben. „Mehr als schäbig und unwürdig“ sei Haffas Verhalten, sagte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapiere (DSW). Haffa „zu Recht lange Zeit Liebling der Börsen, Banken und Anleger“ habe sich nicht mehr um das Tagesgeschäft gekümmert. „Der Zug wurde mit voller Geschwindigkeit gegen die Wand gefahren“, sagte Bergdolt, „und der Lokführer saß im Speisewagen und trank Champagner.“

Aufklärung für die Eigentümer über das Versagen in Vorstand und Aufsichtsrat gab es auf der Versammlung nicht. EM.TV hatte vor einem Jahr durch seine schlechten Zahlen als eines der ersten Unternehmen den bis heute andauernden Absturz am Neuen Markt eingeläutet. Noch im vergangenen Dezember hatte das Management davon gesprochen, man werde im Jahr 2001 noch 50 Millionen Mark Gewinn machen. Zu Buche steht nun ein Verlust von 2,8 Milliarden.

Dieses Loch zu stopfen ist Klatten, beim Spiegel als „Erlöser“ gefeiert, nun angetreten. Mit seinem Konzept will er „EM.TV in einem akzeptablen Zeitraum von 12 Monaten neu aufstellen“, sagte der Manager, der vorher bereits bei Sat.1 die Geschäfte führte. Den Vorwurf, er sei ein Strohmann für die Kirch-Gruppe, wies er zurück. Im Gegenteil sei mehr Unabhängigkeit von Kirch wünschenswert. Klatten will die „völlig überzogene Expansionspolitik“ (Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre) von EM.TV beenden. Neben mehr Effizienz bei „Quantität und Qualität des Personals“ – sprich: Stellenabbau – will er sich von Beteiligungen trennen. Das dringend benötigte Geld zur Liquiditätssicherung soll aus dem Verkauf von Anteilen an der Tele München Gruppe (TMG) und der Trennung von der Jim Henderson Company („Muppetshow“) kommen. Auch aus der Formel 1, deutete Klatten an, könne EM.TV ganz aussteigen. In der Zukunft soll dann alles besser werden: Vor Steuern und Zinsen erwartet der Vorstand im Jahr 2003 ein positives Ergebnis. BPO

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