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Kompromiss in Iran

Der Religiöse Führer Chamenei sperrt sich gegen die Vereidigung von Präsident Chatami vor dem Parlament

TEHERAN/BERLIN afp/taz ■ Nach der Verschiebung der Amtseinführung von Präsident Mohammad Chatami hat der iranische Parlamentspräsident dem Wächterrat gestern einen Kompromissvorschlag vorgelegt. Ein Komitee solle den Konflikt zwischen beiden Organen lösen, sagte Mehdi Karubi gestern vor dem Parlament in Teheran. Karubi verteidigte die „legale Position“ der Parlamentsabgeordneten, die am Vortag mehrere von der Justizbehörde vorgeschlagene Kandidaten für den Wächterrat abgelehnt hatten und damit auf Konfrontationskurs zur konservativ dominierten Justiz gegangen waren.

Dem Komitee könnten Vertreter des Parlaments, der Justiz und des Religiösen Führers Ajatollah Ali Chamenei angehören, schlug Karubi vor. Die von Chamenei am Samstag angeordnete Verschiebung der Präsidentenvereidigung füge der Führung der Islamischen Republik „schweren Schaden“ zu. „Es ist ihre Aufgabe, Kandidaten vorzuschlagen, und es ist unser Vorrecht, zuzustimmen oder nicht“, sagte er an den konservativen Justizchef Ajatollah Mahmud Haschemi Schahrudi gerichtet.

Die Vereidigung des Präsidenten hätte wie geplant gestern „sehr wohl im legalen Rahmen gestern stattfinden können“, sagte Karubi weiter. Dabei müsse der Wächterrat nicht vollständig vertreten sein. Chatami sollte gestern vor dem Parlament vereidigt werden und seine Regierung vorstellen. Die Verfassung sieht vor, dass alle Mitglieder des Wächterrats der Zeremonie beiwohnen. Bereits am Donnerstag war Chatami offiziell ins Amt gesetzt worden.

Die Abgeordneten hatten am Samstag überraschend fünf von sechs für den Wächterrat vorgeschlagene Juristen abgelehnt. In einer anschließend einberufenen Sondersitzung lehnten die Parlamentarier auch eine zweite Kandidatenliste ab.

Der mächtige Wächterrat besteht aus sechs islamischenRechtsgelehrten, die vom Religiösen Führer ernannt werden. Hinzu kommen sechs von der Justiz bestimmte Juristen. TAUD

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