Nachgefragt: „Positive Kraft“
■ Auftakt zur neuen Sekundarstufe I in der Freien Schule Prinzhöfte
Die Freie Schule Prinzhöfte beginnt das neue Schuljahr zum ersten Mal mit einer Klasse der Sekundarstufe I. Prinzhöfte ist wegen seiner alternativen Methoden ins Gerede gekommen. Die taz sprach mit Bettina Ernst. Sie ist eine der Schulgründerinnen und im Vorstand der Freien Schule Prinzhöfte.
taz: Stimmt es, dass ein Drittel der Kinder Prinzhöfte verlassen hat, da die Eltern nicht mit dem Unterrichtskonzept einverstanden waren?
Bettina Ernst: Nein. Einige Eltern sind umgezogen, nur sieben von 60 Kindern haben die Schule verlassen, weil sie unzufrieden sind. Wir sind halt eine Schule mit einem besonderen pädagogischen Konzept.
Was ist das Besondere an Prinzhöfte?
Meine Tochter ist ein Jahr auf die Regelschule gegangen. Danach traute sie sich nichts mehr zu, ihr Selbstbewußtsein war im Keller. Seit In Prinzhöfte geht es ihr viel besser. Hier wird auf die persönlichen Talente der Kinder Wert gelegt. Ihre Angst ging verloren. Hier kann meine Tochter ihre positive Kraft ausleben. Hier hat sie die Angst vor dem Versagen verloren.
Kritiker sagen, die Schule sei konzeptlos, ihr fehle der Lehrplan. Was passiert in Prinzhöfte wirklich?
Natürlich gibt es ein Konzept. Jeden Morgen setzen sich die Kinder im Morgenkreis vor die Tafel, um ihren Tag selbst zu organisieren. Es findet ein selbstverantwortliches Lernen statt. So gab es zum Beispiel das „BSE-Projekt“. Da haben die Kinder eine Zeitung gemacht, um andere Kinder vor den Gefahren von BSE zu warnen. Zum Schluss aß manche Kinder zu Hause kein Nutella mehr.
Oder sie spielen Schach, weil das das logische Denken stärkt. Bei der deutschen Schulmeisterschaft haben einige Prinzhöfter den 4. Platz gemacht.
Malen die Kinder wirklich Mandalas?
Ja, das tun sie auch. Und das ist eine wundervolle Angelegenheit, mit der man Kinder leicht zur Ruhe bringen kann.
Brauchen Prinzhöfte-Kinder mehr Nachhilfe als andere Kinder?
Nein. Eine Schülerin hatte an einer anderen Schule sofort eine 1 in Mathe. Vielleicht ist sie dafür in Rechtschreibung nicht so gut. Wahrscheinlich wird er das aber spätestens in der Pubertät nachholen, wenn er seinen ersten Liebesbrief schreiben will. Für mich ist entscheidend, dass die Kinder wissen: Ich weiß, wie Lernen geht – und ich habe Freude daran.
Sind die Lehrer unqualifiziert?
Nein. Wichtig ist doch, dass sie ein Händchen für die Kinder haben.
Haben Sie je daran gedacht, Ihr Kind von der Schule zu nehmen?
Nie. Am vergangen Donnerstag fing in Niedersachsen die Schule an und wir starteten zum ersten Mal mit der Sekundarstufe I. Meine Tochter ist dabei.
Können Sie sich vorstellen, dass sie auch eines Tages ihr Abitur auf Prinzhöfte macht?
Vor allem hängt das natürlich von ihr selber ab. Aber es ist durchaus möglich, dass wir eines Tages auch die Sekundarstufe II anbieten.
Fragen: Kai Schöneberg
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