: Helmut Kohl will Bremen verklagen
■ Bauunternehmer will Schadensersatz für entgangenen Gewinn aus 40 Jahren Zementfabrik / Am Freitag will der Wirtschafts-Staatsrat mit Kohl darüber verhandeln
„Helmut Kohl will Bremen verklagen“, diese Meldung kam gestern früh auf den Tisch. Nein, nicht der – sondern der Bitburger Bauunternehmer Helmut Kohl, dem der Bremer Häfensenator Uwe Beckmeyer 1994 in Gröpelingen schriftlich die Zusage gegeben hatte, er dürfe in der Kap-Horn-Straße 11 im Industriehafengebiet bei Oslebshausen eine Zementfabrik bauen. Der Bauunternehmer plante auf der Grundlage der Zusage, begann mit den Abbrucharbeiten – und nach drei Monaten flatterte ihm ein Baustopp auf den Tisch. Die mit der Klöckner-Stahlhütte verbundene Zementfabrik Alsen-Breitenburg fürchtete einen „ruinösen Preiskampf“, wenn mit Kohl ein Konkurrent auftauchte. Auf einer Protestversammlung der Gröpelinger erklärte der damalige Häfen-Staatsrat Gerd Markus erstmals, das Zementwerk werde es in ihrem Stadtteil nicht geben.
Die Geschichte ging kompliziert weiter. Bis heute hat der Bitburger Unternehmer keine Mark Entschädigung erhalten, obwohl er in zwei Instanzen Prozesse gegen die Stadtgemeinde Bremen gewann. Im Oktober 1997 stellte das Hanseatische Oberlandesgericht fest, dass Bremen verpflichtet sei, dem Bauunternehmer auf der Grundlage der abgeschlossenen Verträge den Bau und Betrieb eines Zementwerkes über 40 Jahre zu ermöglichen.
Nach diesem Richterspruch erweckten die Anwälte der Stadtgemeinde Bremen den Eindruck, sie wollten einen „außergerichtlichen Vergleich“ mit dem Bauunternehmer. Bremen bot 1,5 Millionen Mark Schadensersatz – das war nicht ernst zu nehmen, sagt Dr. Berthold Kohl, der Anwalt des Bauunternehmers. Auch er kommt aus der Pfälzer Kohl-Familie. Denn auf rund 12 Millionen Mark addiert sich schon der Schaden bis zum Baustopp 1994, das sei alles mit Quittungen nachweisbar. Und dann habe das Anwaltsbüro Ahlers/Vogel, das die Hansestadt vertritt, in einer ersten internen Expertise 1994 festgestellt, dass Bremen sich schadensersatzpflichtig gemacht habe – auch für den entgangenen Gewinn.
Der dem Unternehmer Kohl entgangene Gewinn mache nach der Pfälzer Rechnung und nach gerichtlich abgesicherten Maßstäben der Branche, sagt Anwalt Kohl, in der Summe ca. 150 Millionen Mark aus, immerhin gehe es um 40 Jahre. Wenn Bremen das nicht einsehe und darüber Zivilprozesse führe, drohten noch Anwaltkosten von bis zu 10 Millionen Mark, sagt Kohl – und für ihn ist klar, dass Bremen verlieren muss. „Der Hansestadt droht ein Finanzdebakel“, teilt er beinahe besorgt mit, und stellt öffentlich klar: Am kommenden Freitag haben die Unterhändler des armen Bremen die letzte Chance, dieses Debakel durch eine ordentliche freiwillige Zahlung zu vermeiden.
Immerhin nimmt Bremen die Drohung ernst: Am Freitag verhandeln nicht nur die Anwälte untereinander, jetzt kommt auch Wirtschaftsstaatsrat Uwe Färber mit an den Tisch. Der ist der einzige, der als Herr über größere Millionen-Beträge auf gleicher Augenhöhe mit Helmut Kohl verhandeln kann – auch wenn das „Investitions-Sonder-Programm“ (ISP) kein Beckmeyer-Haftungsfonds für verpatzte Wirtschaftsförderung ist.
Klaus Wolschner
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