: Es droht ein vergiftetes Ferienende
Verwaltung warnt vor giftigen Mineralfasern in Ostberliner Schulen. Ab Montag sollen Messungen Klarheit über die möglichen Gefahren durch die Krebs erregenden Stoffe bringen. Der Schulbeginn könnte sich deshalb verzögern
von CHRISTIAN TERIETE
Die Schulferien dauern in diesem Sommer wohl ein paar Wochen länger. Nachdem an der Werner-Seelenbinder-Schule in Hohenschönhausen Krebs erregende Mineralfasern gefunden wurden, sollen in Ostberliner Schulen des gleichen Bautyps ab der kommenden Woche Messungen durchgeführt werden. „Dazu hat die Schulverwaltung die Bezirke als Träger der Schulen aufgefordert“, sagte eine Sprecherin.
Werden die Experten fündig, droht die Schließung. „Die winzigen Krebserreger können eingeatmet werden und in die menschliche Lunge gelangen“, sagt Robert Rath vom Landesamt für Arbeitsschutz. Schon eine geringe Konzentration in der Luft genüge, um die Gesundheit von Schülern und Lehrern zu gefährden. Die Werner-Seelenbinder-Schule ist deshalb bereits dicht.
Im Mittelpunkt der Untersuchungen werden Schulen in den Ostbezirken der Stadt stehen. Denn bei der Werner-Seelenbinder-Schule handelt es sich um einen Plattenbau vom Typ „SK Berlin“. Und diese wurden laut Bernd Holtfreter, dem baupolitischen Sprecher der PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus, in der ehemaligen DDR „gleich im Dutzend gebaut“. Dabei kam offenbar Lärmschutz- und Dämmmaterial zum Einsatz, das die Krebs erregenden Mineralfasern enthält. In der betroffenen Schule in Hohenschönhausen wurden diese Fasern bei Bauarbeiten in Lüftungsschächten entdeckt.
In den Bezirken werden die Warnungen der Schulverwaltung ernst genommen. „Wir müssen befürchten, dass dieses Material beim Bau vieler Schulen in unserem Bezirk verwendet wurde“, sagt Andreas Geisel, Baustadtrat im Bezirk Lichtenberg/Hohenschönhausen. Von insgesamt etwa 65 Schulen entsprechen dort mehr als 40 dem betroffenen Bautyp „SK Berlin“. Ab nächsten Montag sollen Messungen durchgeführt werden. „Und wenn wir Spuren des Krebserregers finden, müssen wir das giftige Material umgehend beseitigen“, sagte Geisel.
Ähnlicher Meinung waren gestern die Vertreter der verschiedenen Parteien. „Sofortige Schließung bei potenzieller Gefährdung“ fordert Michael Arndt, baupolitscher Sprecher der Berliner SPD. Özcan Mutlu, bildungspolitischer Sprecher der Berliner Grünen, betonte ebenfalls, die Gesundheit der Kinder und ihrer Lehrer dürfe auf keinen Fall gefährdet werden.
Die Sprecherin der Schulverwaltung sagte, sie hoffe darauf, dass in den gefährdeten Schulen noch keine giftigen Fasern in die Luft geraten sind. „Solange sich die Stoffe in den Wänden oder im Boden befinden, besteht keine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit.“
Auch Matthias Schmitz von der Gesellschaft für Sicherheit und Umwelttechnik warnt vor Panikmache: „Künstliche Mineralfasern gehören in die zweite Gefahrenkategorie.“ Sie seien weniger gefährlich als Asbest. Es handle sich um Stoffe, die laut Gefahrenstoffverordnung „als Krebs erregend für den Menschen angesehen werden sollten“. Eine Messung und ihre Auswertung dauere etwa zwei Tage. Da nur wenige Experten messen können, ist eine Verlängerung der Ferien wahrscheinlich. Die Sanierung allein der ersten geschlossenen Schule wird nach Angaben der Verwaltung etwa 250.000 Mark kosten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen