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Frieden nicht um jeden Preis

Der Stellvertreter des Nato-Generalsekretärs in Mazedonien, Daniel Speckhard, erteilt der Option, den Frieden mit Waffengewalt zu erzwingen, eine Absage

SKOPJE taz ■ Überrascht und erfreut sind die Nato-Offiziellen in Skopje über die Fortschritte, die in den vergangenen Tagen in Mazedonien erzielt worden sind. In der Tat scheint der Waffenstillstand zu halten, die UÇK hat einige ihrer Positionen geräumt, und auch die mazedonische Armee hat gestern damit begonnen, Artillerie und Panzer in die Kasernen zurückzuziehen. Der Stellvertreter des Nato-Generalsekretärs George Robertson in Mazedonien, der Amerikaner Daniel Speckhard, erklärte gestern gegenüber der taz, dass jetzt schon „dramatische Verbesserungen in der Sicherheitslage“ festzustellen seien. Es habe seit vergangenen Sonntag nur einige kleinere Zwischenfälle gegeben.

„Unsere Mission wird den Frieden nicht erzwingen, wir wenden keine Waffengewalt an, aber allein die Tatsache, dass die Nato hierher kommt, hat die Lage beruhigt.“ Erfreut zeigte sich Speckhard über die Bereitschaft der UÇK, noch bevor die Nato-Truppen ihre Aktion „Ernte“, das Einsammeln der Waffen, begonnen hat, Schritte zur Demobilisierung zu unternehmen. Offensichtlich glaube die UÇK daran, dass die politischen Versprechungen eingehalten würden, dass das politische Abkommen realisiert würde. Das bisher schon Erreichte müsse für die Regierungsseite Anlass sein, an eine friedliche Lösung zu glauben, die Chance zu ergreifen, die sich jetzt böte.

Die internationale Gemeinschaft könne nichts anderes tun, als mit dem Einsammeln der Waffen die Voraussetzungen für diesen zweiten Schritt zu schaffen. Und der beinhalte die Schaffung von Vertrauen durch vertrauensbildende Maßnahmen, sodass der Friedensplan umgesetzt werden kann.

Frieden in Mazedonien zu schaffen sei ein Prozess. Ohne die Nato-Aktion werde es keinen Frieden geben, erklärte Speckhard, in Bezug auf den Friedensprozess gebe es eine enge Kooperation mit den anderen internationalen Organisationen. Er erinnerte an die Rolle der Europäischen Union im vorausgehenden politischen Prozess in Mazedonien, deren Repräsentanten, François Leotard und Javier Solana, die Weichen für das politische Abkommen mit der Nato gestellt hätten. Die EU werde wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) weiter eine wichtige Rolle spielen, die OSZE werde nach der Beendigung der Nato-Mission die Lage vor Ort mit ihren Leuten beobachten. „Man braucht nicht immer Waffen, um die gesellschaftlichen Gruppierungen hier davon zu überzeugen, das Richtige zu tun. Es genügen später internationale Beobachter. Wir wollen einen kreativen politischen Prozess.“

Den Einwand, die Erfahrungen mit dem begrenzten Mandat der OSZE-Mission im Kosovo 1998 seien nicht geeignet, blauäugig auf die Präsenz einer internationalen bewaffneten Macht über die 30 Tage hinaus zu verzichten, wollte Speckhard nicht gelten lassen. „Man müsse erst einmal sehen, wie sich das Ganze entwickelt, jetzt, zu diesem Zeitpunkt, ist an eine längere Präsenz von Nato-Truppen in Mazedonien über das bestehende Mandat hinaus nicht gedacht. Man braucht ja vielleicht gar nicht jene Mittel anzuwenden, die mit der Frage angesprochen sind, wenn man kreativ vorgeht.“

Im Unterschied zu anderen Konfliktregionen, wie etwa in Bosnien und Kosovo, wo man militärisch handelte und den Frieden über militärische Mittel durchgesetzt und dann erst nach einigen Monaten mit dem politischen Prozess begonnen hat, sei hier der politische Prozess schon angelaufen.

Den Erwartungen der gesamten Bevölkerung, vor allem aber der albanischen Mazedonier, die Nato werde Sicherheit für die Bevölkerung schaffen, gelte es zu entsprechen. Gleichzeitig jedoch werde die Nato die Befürchtungen der mazedonischen Seite keine Nahrung geben und sicherlich keine Teilungslinie im Lande ziehen. Wenn das politische Abkommen von Ohrid synchron zum Demilitarisierungsprozess umgesetzt würde, wäre das wesentliche Ziel erreicht. „Dann ist die Anwesenheit der Nato hier nicht mehr erforderlich.“ ERICH RATHFELDER

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