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Auf dem Boden

■ Peinliche Behördenschreiben in der Ausstellung „Kunst am Sozialabbau“

Auf Schönheit kommt es nicht an. Kunst speist sich aus Kreativität. Deshalb sind diese Exponate zwar hässlich, aber kulturell als wertvoll zu betrachten. Und wie eines Malers Handschrift etwas über sein Lebensgefühl zumindest im Moment des Schaffens verrät, ist auch an diesen Texten abzulesen, wie es um die Verfasser steht. Die AusstellungsmacherInnen sagen: schlecht.

Der Sozialstaat, dessen Handschrift derzeit die Wände der Gaststätte Zum kleinen Zinken in Ottensen gestaltet, habe die Aufsplittung in Arm und Reich in den vergangenen vier rot-grünen Regierungsjahren verschärft. Kunst am Sozialabbau heißt die aktuelle Ausstellung der „sozialpolitischen Opposition“, die bis zum 4. Oktober zu sehen ist.

Die Kreativität der Werke offenbart sich erst auf den zweiten Blick. Bei der Lektüre der Behördenschreiben, die wie Bilder gerahmt an den Wänden hängen. Höhepunkt der Werkschau ist der Brief einer Sachbearbeiterin an eine hochschwangere Frau, die für ihr Baby um Wickeltisch und Kommode bat. Bräuchte sie nicht, antwortet die Behördenfrau. Kleinkinder könnten schließlich auch auf Decke und Handtuch „auf dem Boden“ gewickelt werden. Und die Babyutensilien bräuchten auch nicht in eine Wickelkommode. Von der Mutter dürfe „eine gehörige Portion Kreativität“ erwartet werden, schreibt die Sachbearbeiterin und erklärt, wie erwerbslose Frauen mit ihren Babys zu leben hätten: Die Kindersachen könnte die Mutter in einem Karton verstauen und den mit „einem festen Gummiband verschnüren“. Denn sei das Krabbelalter erreicht, müssten die Sachen vor dem Kind in Sicherheit gebracht werden.

Zwischen den Behördenschreiben hängen Bilder der Fotografin Marily Stroux. Am 6. September wird die „hässliche Behördenlyrik“ mit Lesungen und Kabarett in der „Motte“ präsentiert. Elke Spanner

Lesung mit Henning Venske und Angelika Landwehr, Kabarett mit Herrchens Frauchen, den Dreckschleudern und dem Hohlkopftheaterl: 6. September in der Motte

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