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Die „Tampa“ ist flüchtlingsfrei

Die vom norwegischen Frachter „Tampa“ geretteten Flüchtlinge werden nach der vorübergehenden Entscheidung eines australischen Gerichts auf den Truppentransporter „Maroona“ übergesetzt und nehmen ihre Reise ins Ungewisse wieder auf

aus Melbourne BORIS B. BEHRSING

Australiens konservative Regierung hat gestern das Startzeichen für eine Operation gegeben, die Premierminister John Howard stolz die „pazifische Lösung“ getauft hat: die Entfernung der 438 schiffbrüchigen Asylbewerber auf dem vor der Weihnachtsinsel in australischen Gewässern liegenden norwegischen Frachter „Tampa“ von den australischen Gestaden. Howard hat der Öffentlichkeit versprochen, dass diese vorwiegend afghanischen Asylbewerber nicht australischen Boden betreten werden. Trotz hereinbrechender Dunkelheit hat das Militär begonnen, die Asylbewerber, die nach dem Sinken ihrer indonesischen Fähre schon acht Tage in der Tropenhitze auf dem Deck der „Tampa“ aushielten, mit zwei Barkassen auf den komfortableren australischen Truppentransporter „Maroona“ überzusetzen. Er wollte noch am Montagabend in See stechen.

Die Operation war möglich geworden, nachdem der Bundesgerichtshof in Melbourne gestern seine einstweilige Verfügung, die die Entfernung der Flüchtlinge aus den Gewässern um die Weihnachtsinsel verbot, aus humanitären Gründen aufhob. Das Gericht war vom Rat der Bürgerrechtsbewegung im Namen der Asylbewerber angerufen worden. Der Fall ist jedoch noch nicht beendet. Bundesrichter Tony North behielt sich vor zu entscheiden, ob die von der Regierung abgeschobenen Asylbewerber nicht doch noch nach Australien zurückbeordert werden sollen, damit ihre Anträge dort bearbeitet werden. In einem von der „Tampa“ an Land geschmuggelten und dem Gericht vorgelegten Brief hatten die „Boat People“ darum ersucht, in Australien als Flüchtlinge anerkannt zu werden. Die Regierung hatte es jedoch abgelehnt, ihre Anträge auch nur zu prüfen.

Die Ziele der Flüchtlinge an Bord der „Maroona“: die 21 Quadratkilometer winzige, armselige Inselrepublik Nauru im Pazifischen Ozean mit einer versiegten Phosphatmine sowie Neuseeland. Beide Staaten haben sich bereit erklärt, die zumeist afghanischen Asylbewerber zunächst aufzunehmen. Zwischenstopp nach etwa sechstägiger Fahrt wird Port Moresby sein, die Hauptstadt Papua-Neuguineas.

Das endgültige Los der Flüchtlinge ist aber noch nicht geklärt. Voraussichtlich morgen wird Bundesrichter North in Melbourne seine Entscheidung bekannt geben. Die könnte der Regierung auferlegen, die Asylbewerber zur Weihnachtsinsel zurückzubringen. Dort, wo schon tausende Asylbewerber australischen Boden betraten, wollten sie ohnehin landen. Derweil summieren sich für Australiens Steuerzahler die Kosten. Allein die militärische Operation um die „Tampa“-Flüchtlinge kostet täglich drei Millionen australische Dollar. Die norwegische Reederei der „Tampa“ hat jetzt erhebliche Kompensationsforderungen angekündigt, weil ihrem Schiff nicht erlaubt war, die nach dem Schiffbruch geretteten Männer, Frauen und Kinder auf der Weihnachtsinsel gleich an Land zu setzen.

Inzwischen ist ein Großteil der australischen Kriegsflotte in den internationalen Gewässern zwischen Australien und Indonesien postiert, um weitere Boote mit Flüchtlingen abzufangen und, wie es im Regierungsjargon heißt, „umzudrehen“. Morgen will eine australische Ministerdelegation nach Jakarta reisen. Sie will Indonesiens Regierung drängen, ihre Häfen, die den Asylsuchenden als Sprungbrett nach Australien dienen, für den Menschenschmuggel zu schließen. Das dürfte schwer werden. Präsidentin Megawati Sukarnoputri war nicht einmal ans Telefon gegangen, als Howard mit ihr über die Aufnahme der Flüchtlinge verhandeln wollte.

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