: Sie werden angestarrt
Die Palästinenser in Berlin befürchten momentan weniger rassistische Übergriffe als vielmehr Schwierigkeiten mit den Behörden. Sie seien doch keine „potenziellen Täter“
Für Maher und seinen Bruder sind die Terroranschläge in den USA einfach eine „Katastrophe und Terror, den wir wirklich verurteilen“. Vor elf Jahren sind die palästinensischen Geschwister aus Ramallah im Westjordanland zum Studium nach Berlin gekommen. Der 30-jährige Maher, inzwischen Doktorand der Biotechnologie, ist sich sicher: „Palästinenser haben nichts damit zu tun.“ Warum er davon überzeugt ist? „Die Anschläge sind doch völlig gegen palästinensische Interessen gerichtet.“
Ähnlich wie Maher, der sich selbst als „Liberalen“ bezeichnet, äußern sich in diesen Tagen viele Palästinenser in Berlin. Die Mehrheit von ihnen kommt aus dem Libanon – oft leben die Familien als so genannte „staatenlose Flüchtlinge“ schon seit Jahren mit einer Duldung in Berlin. Einige sind anerkannte politische Flüchtlinge, so wie Jihads Vater, der seit beinahe fünf Jahren in Deutschland wohnt.
Jihad arbeitet in einem arabischen Imbiss in Prenzlauer Berg. Für ihn, den bekennenden Muslim, ist es undenkbar, dass Palästinenser für die Toten in New York und Washington verantwortlich sein könnten. „Nach dem Koran ist es eine Sünde, unschuldige Zivilisten zu töten.“ Jihad betont, dass er als Palästinenser zwar Probleme mit der israelischen und der US-amerikanischen Politik habe: „Aber doch nicht mit den Menschen in New York.“ Deshalb findet er auch Jassir Arafats demonstrative Blutspende eine „wichtige Geste“ und bittet darum, die Bilder von jubelnden Jugendlichen in Nablus nicht zu verallgemeinern.
Das Geschäft in dem zur Mittagszeit voll besetzten Laden laufe so wie immer, aber der 23-jährige, der sich bisher in Berlin „rundum wohl gefühlt hat“, ist verunsichert. Über seinen jüngeren Bruder, der in Kreuzberg ein Gymnasium besucht, berichtet er: „Die anderen starren ihn an, weil er Palästinenser ist.“
Auch Nazar Mahmood, der irakische Leiter des Arabischen Kulturvereins in Neukölln, hat kein „gutes Gefühl“, wenn in den Zeitungen ständig undifferenziert von „arabisch-stämmigen Verdächtigen“ die Rede ist. Die Besucher des Vereins, in dem viele palästinensische Schüler und deren Eltern Integrationshilfe suchen, befürchteten momentan jedoch weniger rassistische Übergriffe auf der Straße als vielmehr „Schwierigkeiten mit den Behörden, zum Beispiel bei Einbürgerungsanträgen“.
Einig sind sich Maher, Jihad und Nazar Mahmood vor allem in einem Punkt: Niemand dürfe „wegen seiner Herkunft als potenzieller Täter“ behandelt werden. HEIKE KLEFFNER
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