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Spur nach Hamburg

Acht Wohnungen wurden durchsucht. Generalbundesanwalt Nehm ermittelt

KARLSRUHE/HAMBURG rtr ■ Mehrere der mutmaßlichen Attentäter von New York und Washington haben sich nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft möglicherweise in Deutschland auf die Terroranschläge vorbereitet. Generalbundesanwalt Kay Nehm hat deshalb am Donnerstag Ermittlungen gegen eine bislang unbekannte Vereinigung islamischer Fundamentalisten in Deutschland aufgenommen. Sie soll sich Anfang des Jahres in Hamburg gebildet haben. Drei der Mitglieder, die in Hamburg Elektrotechnik studiert hätten, stünden auf den Passagierlisten der für die Anschläge in den USA entführten Flugzeuge, sagte Nehm in Karlsruhe.

Die Hamburger Polizei durchsuchte in der Nacht acht Wohnungen und nahm einen Verdächtigen vorläufig fest. Er arbeite an einem Flughafen und habe sich an einer der Wohnungen aufgehalten, die von der Polizei überprüft worden seien. Ein weiterer marokkanischer Verdächtiger werde noch gesucht. Gegen die Angehörigen der Hamburger Vereinigung werde wegen des Verdachtes der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, des Mordes und des Angriffs auf den Luftverkehr ermittelt. Drei Mitglieder der Gruppierung seien an Bord der abgestürzten Flugzeuge gewesen, es handle sich bei ihnen um Studenten der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Zwei von ihnen stünden auf der Passagierliste der Boeing, die als erste in das World Trade Center raste. Der dritte Student sei auf das Flugzeug gebucht gewesen, das in Pennsylvania abstürzte. Alle drei seien geraume Zeit vor dem Anschlag in die USA ausgereist. Einer der drei habe an einem Flughafen ein Gepäckstück zurückgelassen, in dem die Sicherheitskräfte Teile der Uniform einer Fluggesellschaft und einen Abschiedsbrief gefunden hätten, sagte Nehm. Dies spreche dafür, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Passagier gehandelt habe.

Der Leiter des Hamburger Landeskriminalamts, Gerhard Müller, sagte, bei zwei der Verdächtigen handele es sich um den 23-jährigen Marwan al-Shehhi und den 33 Jahre alten Mohamed Atta. Beide seien in den Vereinigten Emiraten geboren, seien in Hamburg mit unterschiedlichen Adressen gemeldet gewesen, hätten aber zeitweise gemeinsam in einer Wohnung im Hamburger Stadtteil Harburg gewohnt. Sie seien im Mai in die USA ausgereist.

„Wir haben einen Mann festgenommen, der an einem Flughafen arbeitet und sich hier legal aufhält“, sagte Müller. Auf den Mann sei die Polizei bei der Suche nach einem verdächtigen Marokkaner gestoßen, der möglicherweise in die Flugzeuganschläge auf das World Trade Center in New York und das Verteidigungsministerium in Washington verwickelt sei. Über einen Haftbefehl sollte im Laufe des Tages entschieden werden.

Hamburgs Innensenator Olaf Scholz (SPD) erklärte, die mutmaßlichen Attentäter hätten völlig legal in Hamburg gelebt und seien weder bei der Polizei noch bei der Ausländerbehörde aufgefallen. Dies sei offenbar Teil der Strategie gewesen, um bei den Vorbereitungen für die Anschläge nicht entdeckt zu werden. Es habe bei den Sicherheitsbehörden keinerlei Hinweise auf terroristische Aktivitäten in Hamburg gegeben.

Eine Bewohnerin des Hauses in der Marienstraße 54 in Hamburg-Harburg sagte der Nachrichtenagentur Reuters, in der Wohnung hätten zunächst drei, später fünf Männer arabischer Herkunft gewohnt. „Die trugen Turbane, einer hatte eine Strickmütze auf.“ Aus der Wohnung sei häufig laute „fernöstliche Musik“ zu hören gewesen, sagte die 33-Jährige. Eine Passantin in der Straße sagte im Radio, sie habe aus der Wohnung auch arabisch klingende Gebete gehört.

In der Wohnung in der zweiten Etage des unauffälligen vierstöckigen Gebäudes sicherte die Polizei unterdessen weiter Spuren. Im Eingang stand ein Polizist mit einem Maschinengewehr in der Hand. Die Wohnung ist nach Polizeiangaben seit Februar unbewohnt.

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