„Keine Spirale der Gewalt“

PDS-Fraktionschef Roland Claus hält den Nato-Beschluss für rechtlich fragwürdig

taz: Herr Claus, der Bundeskanzler hat den Amerikanern die „uneingeschränkte Solidarität“ der Deutschen versichert. Verweigert die PDS jetzt diese Solidarität?

Roland Claus: Die Solidarität mit dem amerikanischen Volk steht für die PDS überhaupt nicht in Frage. Selbstverständlich wollen auch wir, dass die Verantwortlichen für diesen kriegerisch-terroristischen Akt gegenüber den USA verfolgt, bestraft und geächtet werden. Trotzdem tragen wir die Entscheidung der Nato, den Bündnis- und Beistandsfall zu erklären, nicht mit.

Warum nicht?

Wir sehen die Gefahr, dass diese Entscheidung zu einer Eskalation beitragen kann. Wichtig wäre aber eine Entspannung der Lage. Es könnte eine Spirale der Gegengewalt und erneuter Gewalt in Gang gesetzt werden. Es darf auf keinen Fall militärische Gegenschläge geben. Denen würden sehr wahrscheinlich unschuldige Menschen zum Opfer fallen.

Solidarität sollte konkret sein. Das wichtigste Nato-Mitglied ist angegriffen worden. Muss Deutschland da nicht beistehen?

Ja, aber die Frage ist, wie dieser Beistand aussieht. Der Bündnis- und Beistandsfall, der auch eine militärische Unterstützung von deutscher Seite möglich macht, ist nach Artikel 5 des Nato-Vertrages beschlossen worden. Dieser Artikel 5 steht aber für den Fall einer Aggression eines Staates gegen einen Bündnispartner, nicht für den Fall eines kriegerischen Terrorangriffs. Insofern halten wir den Nato-Beschluss auch rechtlich für fragwürdig.

Wenn der Deutsche Bundestag die militärische Unterstützung der USA beschließen sollte, stimmen sie also mit Nein?

So ist es.

Wie sieht ihre Solidarität mit Amerika dann aus?

Wir verbinden unsere Solidarität mit einem Aufruf zur Besonnenheit. Wir setzen auf die verstärkte zivile Lösung von solchen Konflikten. Die PDS sieht sich darin übrigens in Übereinstimmung mit vielen Menschen in der Bevölkerung – sie sind wütend, traurig, aber sie haben die Hoffnung, dass die Vernunft die Oberhand behält und nicht das Gefühl der Rache.

Sie sagen, die PDS ist für die Verfolgung und internationale Ächtung der Terroristen. Wie soll das gehen, wenn nicht auch mit militärischer Gewalt?

Es wird nicht ohne repressive Mittel gehen, da habe ich keine Illusionen. Das kann man nicht mit irgendwelchen Ansprachen erreichen. Das heißt aber nicht, dass militärische Gegenschläge das geeignete Mittel dafür sind.INTERVIEW: JENS KÖNIG