piwik no script img

Nigerias Religionskrieg wird blutiger

Angst vor Ausbreitung der Gewalt zwischen Christen und Muslimen nach neuen Unruhen in der Stadt Jos. Nigerias größter Christenverband kündigt Widerstand gegen eine Ausweitung des islamischen Scharia-Rechts an

COTONOU taz ■ Gespannte Ruhe herscht in der nigerianischen Stadt Jos. Auf über 500 wird die Zahl der Toten bei den schweren religiösen Unruhen der letzten Woche geschätzt. Zehntausende haben die Stadt verlassen. Viele der vier Millionen Einwohner der kühlen Hochlandstadt in Nigerias Middle-Belt-Region suchen Schutz in Militärkasernen und Polizeistationen.

Am Wochenende noch hatten die Bewohner von Jos fälschlich geglaubt, dass die Welle der religiösen Gewalt vorüber sei. Doch dann kam es am Mittwoch zu neuer Gewalt. Nach den Terroranschlägen in New York und Washington am Dienstag seien jugendliche Muslime jubelnd durch die Straßen gezoge, zitierte die nigerianische Tageszeitung Guardian einen Flüchtling.

Mit den neuen Todeszahlen zählen die Unruhen in Jos zu den schwersten Konflikten seit Beginn der Demokratie 1999. Nahezu jeden Monat kommt es zu brutalen Ausschreitungen in Regionen, wo Christen und Muslime aufeinandertreffen. Die Stadt Jos ist in der großen Mehrheit christlich – jedoch mit einer nennenswerten Gruppe von Muslimen, die zudem die Nachbarbundesstaaten dominieren.

Deshalb verwundert es kaum, dass die Konflikte weitergetragen werden. In den Bundesstaaten Taraba und Benue südlich von Jos sollen in den vergangenen Tagen dutzende von Menschen getötetet worden sein. Am meisten Besorgnis erregt die mehrheitlich muslimische nordnigerianische Metropole Kano: Aufgebrachte islamische Jugendliche plünderten nach den Unruhen in Jos eine Kirche und brannten sie nieder. Ein Ausbruch von Gewalt in Kano würde Nigerias Einheit in Frage stellen.

Nigerias Präsident Olusegun Obasanjo nannte die Unruhen eine nationale Schande. Was für Christen und Muslimen seien das, die andere umbringen und Gotteshäuser anzünden, sagte der Präsident. Im Unterschied zu früheren Krisen hatte die Regierung diesmal schnell reagiert. Zahlreiche Truppen wurden nach Jos beordert und übernahmen die Kontrolle in den Straßen. Dennoch scheint es den zumeist jugendlichen Fanatikern oftmals gelungen zu sein, Angriffsziele auszumachen. Der islamische Polizeichef von Jos wurde in die Hauptstadt Abuja gerufen, weil es Anschuldigungen der Parteilichkeit gegen ihn gibt. Das Parlament kündigte an, Verantwortliche zu suchen und zu bestrafen – klare Worte, die es in Nigeria bislang so nicht gab, denn oftmals werden die Schürer des religiösen Hasses unter Eliten, gar ehemaligen Staatschefs vermutet.

Dennoch scheint ein Ausgleich zwischen den Religionen in Nigeria ferner denn je. Zwölf der 36 Bundeestaaten Nigerias haben das islamische Gesetz der Scharia als Landesrecht übernommen. Politik und Gerichte äußern sich immer noch nicht klar zu der Verfassungsverträglichkeit solcher Schritte. Das macht im Gegenzug die Christen aggressiver. Ein Sprecher der Christlichen Vereinigung von Nigeria (CAN) sagte diese Woche: „Wenn gewisse Element im Bundesstaat Kwara die Scharia einführen wollen, werden wir bis zum letzten Blutstropfen dagegen kämpfen.“ HAKEEM JIMO

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen