Europa soll Huren helfen

Bundesverwaltungsrichter schieben Frage der Sittenwidrigkeit auf EU-Ebene:EU-Gericht muss nun klären, ob Prostituierte freizügig dienstleisten dürfen

FREIBURG taz ■ Die rechtliche Besserstellung von Prostitutierten lässt weiter auf sich warten. Zwar hatte gestern das Bundesverwaltungsgericht die Chance zur Klarstellung, dass sexuelle Dienstleistungen nicht per se sittenwidrig sind. Doch das Berliner Gericht hat den Streit auf die europäische Ebene geschoben.

Konkret ging es um eine in Ghana geborene Prostitutierte, die jetzt die niederländische Staatsbürgerschaft besitzt, aber häufig in deutschen Städten arbeitete. 1996 wurde sie von der Stadtverwaltung in Villingen-Schwenningen ausgewiesen, weil sie gegen Meldevorschriften verstoßen hatte. Sie hätte danach bis auf weiteres nicht mehr nach Deutschland einreisen dürfen. Die Frau berief sich aber auf den erhöhten Ausweisungsschutz für EU-Bürger, die in anderen EU-Staaten Dienstleistungen erbringen. Mit dieser Argumentation hatte sie vor dem Verwaltungsgericht Freiburg und dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin hätte nun ein Grundsatzurteil fällen können, wonach sich auch Prostituierte auf die im EU-Vertrag garantierte Dienstleistungsfreiheit berufen können.

Noch 1980 hatte das Gericht entschieden, dass „Erwerbsunzucht“ als sittenwidrige und gegen die Menschenwürde verstoßende Art des Gelderwerbs nicht „Teil des Wirtschaftslebens“ sei. Jetzt sind sich die Bundesverwaltungsrichter in dieser Frage nicht mehr sicher. Sie haben allerdings erst einmal beim Europäischen Gerichtshof angefragt, ob sich die Lösung direkt aus EU-Recht ergibt. Dessen Urteil dürfte durch eine von der rot-grünen Bundesregierung geplante Reform überholt werden.CHRISTIAN RATH