: Labiles Buchungsverhalten
Unsicherheit besteht nach den Kriegsdrohungen der USA bei Reisen in islamische Urlaubsländer. Aktienkurse sinken
Die europäische Reisebranche hält sich nach den Terroranschlägen von New York und Washington mit Prognosen über mögliche Veränderungen im Reiseverhalten der Menschen zurück. Einbußen durch stornierte Reisen in die USA gelten auf Grund des kleinen Anteils von Interkontinentalreisen am Gesamturlaubsvolumen als verhältnismäßig gering. Eine viel größere Unsicherheit besteht hinsichtlich möglicher Folgen von Vergeltungsschlägen der USA in islamisch geprägten Urlaubsländern.
Bisher berichtet Preussags wichtigster Verantalter TUI nur von vereinzelten Stornierungen von Reisen in Länder wie Ägypten, Tunesien oder auch die Türkei. Beim zweitgrößten Reisekonzern in Europa, der Karstadt-Lufthansa-Tochter Thomas Cook, spricht man von einer „spürbaren Zahl von Stornierungen und Umbuchungen“. Konkrete Angaben seien noch nicht möglich. „Wir gehen aber davon aus, dass sich das Buchungsverhalten wieder stabilisiert“, sagt Thomas-Cook-Sprecher Boris Ogursky. Beim Schweizer Reisekonzern Kuoni sagt Sprecherin Regula Weyermann: „Wir halten es für verantwortungslos, jetzt etwas zu sagen.“
Der Präsident des Deutschen Reisebüro und Reiseveranstalter Verbandes, Klaus Laepple, sieht allerdings die Gefahr bereits für die Wintersaison, in der bislang ein Urlaubsziel wie Ägypten zuletzt zu den wichtigen Reiseländern zählte. Laepple forderte bereits Ende voriger Woche nach den Anschlägen mit entführten Flugzeugen zusätzliche Maßnahmen in der Flugsicherheit.
Über die Konsequenzen von Gegenreaktionen militanter Islamisten auf amerikanische Vergeltungsaktionen mag bisher niemand offiziell reden. Der Preussag-Konzern hat sich aber vorsorglich bereits vorige Woche kurzfristig mit dem Thema möglicher Evakuierungen aus Krisengebieten beschäftigt. Dies werde – wie bisher – zunächst dezentral jeder Veranstalter eigenverantwortlich zu entscheiden haben, in enger Abstimmung mit den jeweiligen Empfehlungen der Außenministerien, sagt der Preussag-Sprecher Laurich.
Bei den beiden führenden Veranstaltern der Preussag, TUI in Deutschland und Thomson Holidays in Großbritannien, gebe es keine konkreten Pläne für Evakuierungen aus islamisch geprägten Reiseländern wie Ägypten und anderen Ländern Nordafrikas. „Aber die Infrastruktur ist da. Es gibt Krisenteams, die auf eine solche Situation vorbereitet sind.“ TUI-Sprecher Robin Zimmermann: „Wir haben ein umfangreiches Krisenmanagement. Es gibt Standards. Die Abläufe stehen fest.“ Doch derzeit gebe es keinen aktuellen Anlass für konkrete Planungen. Bei Thomas Cook wird ebenfalls Gelassenheit demonstriert. „Es gibt derzeit keinen Grund für derartige Pläne“, sagt Sprecher Ogursky.
Umso stärker hat die Unsicherheit die Reisekonzerne – vorneweg den Branchenführer Preussag AG – getroffen. Rund 2 Milliarden Euro und damit fast ein Drittel des Börsenwertes verlor der weltweit größte Reisekonzern binnen einer Woche durch einen Kurssturz von gut 35 Euro auf 24 Euro am Montag. Auch andere europäische Reisekonzerne büßten binnen einer Woche erheblich an Wert ein: Allein am Montag ging der Kurs der britischen Airtours um 11 Prozent zurück. Der französische Club Mediterranée verlor 9 Prozent. „Der aktuelle Kursverlust spiegelt die allgemeine Verunsicherung wider“, sagt Preussag-Sprecher Frank Laurich.
„Die Zukunft der Touristikwerte hängt entscheidend davon ab, wie sich die Situation nach möglichen Vergeltungsaktionen entwickelt“, sagt Eggert Kuls vom Bankhaus MM Warburg. Christian Obst von der Hypovereinsbank weist darauf hin, dass in der Vergangenheit Umsatzeinbußen in Krisenregionen oftmals zu Gunsten einer steigenden Nachfrage in anderen Reiseländern gingen. Im Golfkrieg waren das klassische Destinationen wie Spanien und Italien. „Es hat immer wieder Verschiebungen gegeben“, sagt Obst. Verzicht auf Reisen in bestimmte Länder bedeute nicht unbedingt einen generellen Verzicht auf den Urlaub.
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