: Rechtsruck auch in allen Bezirken
Der Bürgerblock siegt in vier Bezirken, in Wandsbek und Harburg mit absoluter Mehrheit. Rot-Grün in Nord und Eimsbüttel ■ Von Gernot Knödler
In den Bezirken gibt es die selben Verlierer wie auf der Ebene von Senat und Bürgerschaft: die GAL, die CDU und in Sonderwertung die DVU, die in der parlamentarischen Bedeutungslosigkeit versunken ist. Dass die FDP fast durchweg an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, hat nirgends ein Bürgerblock-Regierungsbündnis unmöglich gemacht. Die SPD hat in drei Bezirken Stimmen hinzugewonnen, in den übrigen leicht bis stark verloren.
Der 5,1-Prozent-Erfolg der Liberalen in Nord ging glimpflich ab für Rot-Grün, dafür werden ihre 5,5-Prozent in Altona wohl eine Bürgerblock-Koalition ermöglichen. Rechnerisch sind überdies in Bergedorf, Wandsbek und Harburg Bürgerblock-Regierungen denkbar, in Wandsbek und Harburg sogar mit absoluter Mehrheit. Der Bezirk Mitte steht vor der Alternative Rot-Grün oder große Koalition wie bisher.
Die Partei Rechtsstaatlicher Offensive des Polit-Richters Ronald Schill erhielt die meisten Stimmen in Harburg (26,9 Prozent) und Mitte (21,7 Prozent), wo sie die CDU, die jeweils 25,2 und 20,8 Prozent erzielte, überflügelte. Am wenigs-ten reüssierte Schill in den Bezirken Altona und Nord.
Die in Prozentpunkten herbsten Verluste musste die GAL einste-cken. Nur in Mitte und in Harburg, den beiden Schill-Hochburgen, verlor die DVU noch stärker als die Grünen. Die SPD gewann besonders dort, wo die GAL 1997 stark war – in Altona, Eimsbüttel und Nord. Sie verlor dort, wo sie bei den vorigen Bürgerschaftswahlen selbst besonders stark war: vor allem in Harburg (- 4,3 Prozentpunkte) und in Mitte (-2). Dies korrespondiert mit dem Erfolg von Schill. Vergleicht man die Werte von GAL und Regenbogen zusammen mit denen der GAL vor vier Jahren, ergibt sich ein Bild ohne erkennbares Muster: Besonders stark verlor das untereinander verkrachte grüne Lager in Nord (-6 Prozentpunkte), ebenfalls stark in Wandsbek, Bergedorf, Harburg und Eimsbüttel (-4,8 bzw. -4,7). In Mitte und Altona dagegen verlor das grüne Lager nur 2,8 und 2,9 Prozentpunkte – möglicherweise ohne dass sich das in Form einer „Regierungsbeteiligung“ auszahlt.
Die CDU erreichte ihren Negativ-Rekord mit 20,8 Prozent der abgegebenen Stimmen in Mitte, ihr bestes Ergebnis mit 30,9 Prozent in Wandsbek. Verloren haben die Christdemokraten am meisten in Harburg (-5,5 Prozentpunkte), knapp gefolgt von Altona mit -5,4 Prozentpunkten.
Zu Hochburgen des Regenbogens wurden Altona mit 4,4 Prozent der Stimmen und Mitte mit 3,6 Prozent, nicht jedoch Nord, wo die GAL mit 13,1 Prozent vergleichsweise stark ist. Nur in Altona (13,4 Prozent) und Eimsbüttel (13,8) schnitten die Grünen noch besser ab. Die DVU schaffte lediglich in Mitte (1,4 Prozent), Harburg (1,1) und Bergedorf (1,0) den Sprung über oder auf die imaginäre Ein-Prozent-Hürde.
Das schlechte Abschneiden der CDU in Mitte entspricht dem desolaten Bild, das der zerstrittene Kreisverband in der Anfangsphase des Wahlkampfs lieferte. SPD und GAL könnten in der neuen Bezirksversammlung rechnerisch auf eine Mehrheit von 22 gegenüber 19 Sitzen von CDU und Schill kommen.
Allerdings regierte in Mitte bis zum Beginn des Wahlkampfs eine große Koalition, die der GAL manche kalte Dusche verpasste. Überdies gilt der SPD-Kreisverband Mitte als rechtslastig. Einzig ein Bürgerblock-Senat würde Rot-Grün im Bezirk zu einer attraktiven Option werden lassen. Claudius Lieven von der GAL kündigte jedenfalls an, man werde mit der SPD verhandeln.
Altona hat der mit 4,4 Prozent gescheiterte Versuch, den Regenbogen ins Bezirksparlament zu bringen, einen mit 21 zu 20 knapp dominierenden Bürgerblock inklusive FDP beschert. Der schockiert wirkende SPD-Fraktionsvorsitzende Horst Emmel „fände es wichtig, dass wir stabile politische Verhältnisse kriegen und Schill zur Bedeutungslosigkeit verdammen“. Er hoffte gestern noch darauf, dass die Bundesparteien einen Bürgerblock auf Landesebene verhindern würden. Zur Not sei aber auch ein Sonderweg Altonas denkbar.
In Eimsbüttel wird es trotz der zweitstärksten Verluste der GAL unter allen Bezirken wohl bei einer rot-grünen Koalition bleiben. 47,4 Prozent verschaffen ihr gegenüber den 41,9 Prozent von CDU und Schill eine ausreichende Mehrheit.
Auch die bewährte rot-grüne Koalition in Nord wird wohl fortgesetzt werden. „Das ist für uns überhaupt keine Frage“, sagte Jörg Lewin vom größeren Koalitionspartner SPD. Man habe gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet, kurioserweise zuweilen gemeinsam gegen CDU und Regenbogen. Nicht einmal die FDP, die hier mit ihrem besten Bezirksergebnis von 5,5 Prozent in die Bezirksversammlung hüpfte, kann das verhindern. Rot-Grün führt gegenüber dem Bürgerblock mit 22 zu 19 Sitzen.
Ob die große Koalition in Wandsbek hält, ist fraglich. Zusammen mit Schill erreichten die Christdemokraten die absolute Mehrheit von 52,6 Prozent. Der CDU-Kreisvorsitzende Stefan Schulz deutete bereits an, dass seine Partei jetzt in der glücklichen Lage sei, sich ihre Bündnispartner auszusuchen.
Ebenfalls eine absolute Mehrheit (52,1 Prozent) erreichten Schill und CDU in Harburg. Die SPD muss dort ihre ärgste Schlappe verdauen (-3,5 Prozent). „Es hat eine Partei Verluste erlitten, deren Politik dem Gemeinwesen Harburg in den letzten vier Jahren gut bekommen ist“, sagte der scheidende Fraktionsvorsitzende Manfred Hoffmann. Zusammen mit der GAL habe man die Harburg Arcaden und das ECE-Einkaufszentrum auf dem Phönix-Gelände auf den Weg gebracht, den Binnenhafen entwickelt, die Zahl der Arbeitslosen und der Sozialhilfe-Empfänger verringert – aber leider auch die zusammenhängenden Themen Innere Sicherheit und Zusammenleben von Deutschen und Ausländern vernachlässigt.
Eine besondere Situation ergibt sich in Bergedorf, wo SPD, GAL und Regenbogen noch im Februar den SPD-Kreisvorsitzenden Chris-toph Krupp auf den Schild des Bezirksamtsleiters gehoben hatten. Er muss jetzt wohl unter einem Bürgerblock-Senat arbeiten und mit einer Bürgerblock-Mehrheit in der Bezirksversammlung. Letzteres hält er allerdings für das kleinere Problem, unter anderem deswegen, weil es in Bergedorf eine gute Tradition gebe, „sich an Sachfragen zu orientieren“.
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