: Stille statt Schoki
Ein meditativer Adventskalender soll in Zeiten des Kaufrausches Ruhe stiften ■ Von Christina Pohl
Wer Schokolade erwartet, wird enttäuscht: Nur ein einziges Türchen lässt sich im neuen Adventskalender des christlichen Vereins „Andere Zeiten“ öffnen. Pult man mühsam das Pappquadrat des 27. Dezembers auf, erwartet einen aber nicht etwa ein süßes Betthupferl, sondern nur Papier. Immerhin mit einem Kinderlachen bedruckt. Fernab der fröhlich-kommerziellen, selig-glitzernden Vorweihnachtswelt wünscht sich Pastor Hinrich Westphal, der Vorsitzende des Vereins, eine besinnlichere Adventszeit einzuläuten.
Denn das alljährliche Weihnachtsgetöse ist dem ruhestiftenden Pastor suspekt: Spätestens wenn sich Ende September die Lebkuchenherzen in den Supermärkten stapeln, Spekulatiuspa-ckungen ganze Regalmeter füllen und dicke, runde Schokoladenweihnachtsmänner gnadenbringende Sättigkeit versprechen, klingeln die Kassen der Geschäfte fröhlich zum Takt der allgegenwärtigen Jingle Bells. „Gesegneten Warenaustausch“ nennt Pastor Westphal das: „Viele Menschen empfinden Überdruss angesichts dieser frühen, kommerziellen und oberflächlichen Vorweihnachtszeit.“ Durch die Schreckensnachrichten der vergangenen Wochen würden die Menschen aus Angst oder Friedlosigkeit verstärkt nach Sinn und Trost im Schoß der Kirche suchen, beobachtete Westphal: „Die Menschen sind hörbereiter geworden. Sie haben Sehnsucht nach einem spirituellen Advent.“ Er wolle deswegen keine süßliche Weihnachtsbotschaft mit dem neuen Kalender verkünden, sondern vielmehr auch den herben Beigeschmack der Realität zeigen.
Seitdem von dem meditativen Kalender vor sechs Jahren erstmals 4.000 Stück verkauft wurden, stoße er auf immer größere Resonanz, sagte Vereinsmitglied Volker Gilbert über den Kalender, mit dem man vom ersten Advent an zu täglich zwölf Minuten Stille anregen möchte. Dieses Jahr erscheint der Adventskalender in einer Auflage von 150.000 Stück.
Sollte man bei der Auflage ein wenig zu optimistisch gewesen sein, wolle der gemeinnützige Verein die übrig gebliebenen Exemplare denen zukommen lassen, die, so Westphal, in der klingenden Welt des Konsums hinten heruntergefallen seien: Kranken, Obdachlosen, Gefangenen, Arbeitslosen und Einsamen.
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