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Israel brüskiert die USA

Militärs besetzen Hebron. Jerusalem wendet sich gegen Zugeständnisse Bushs an arabische Staaten. Umsetzung des Mitchell-Plans ist wieder gefährdet

JERSUALEM taz ■ Einen Tag nach der Ankündigung von Israels Premierminister Ariel Scharon, Israel werde sich nur noch auf seine eigene Verteidigung verlassen, zogen gestern israelische Truppen in die autonome Palästinenserstadt Hebron ein. Berichten zufolge, sind dabei mindestens fünf Palästinenser ums Leben gekommen, über 15 wurden verletzt. Die Militärs rückten mit Panzern auf den Hügel Abu Sneineh vor. Von dort aus war in der Vergangenheit wiederholt auf jüdische Siedler in der Stadt geschossen worden. Die erneute Besatzung ist „auf unbestimmte Zeit angelegt“, sagte ein Sprecher der Armee.

Der Einmarsch in Hebron mindert nicht nur die Erfolgsaussichten für eine Umsetzung des Mitchell-Plans, der auf die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen abzielt. Israel wendet sich damit auch gegen die Politik der USA und damit gegen seinen engsten Verbündeten.

„Wiederholen Sie nicht den schrecklichen Fehler von 1938, als die aufgeklärten europäischen Demokratien beschlossen, die Tschechoslowakei für eine bequeme vorübergehende Lösung zu opfern“, hatte Scharon im Rahmen einer Pressekonferenz am Donnerstag abend erklärt. „Versuchen Sie nicht, die Araber auf unsere Kosten für sich zu gewinnen“, warnte er die Vereinigten Staaten. Israel sei nicht die Tschechoslowakei, sondern werde zurückschlagen. Besonders verärgert war Scharon über die Tatsache, dass US-Amerikanische Präsident George W. Bush auf der Liste der Terrorbewegungen die drei besonders für Israel gefährlichen Gruppen Hamas, Dschihad sowie die libanesische Hisbollah unerwähnt ließ.

Vorläufig so scheint es, wird Israel nicht mehr dem amerikanischen Rat folgen, wenn es um die Verteidigung seiner Bürger geht. Die USA hatten seit den Attentaten auf das World Trade Center und das Pentagon enormen Druck auf den Regierungschef in Jerusalem ausgeübt, um so die Waffenruhe andauern zu lassen und damit Gespräche zwi schen Außenminister Schimon Peres und Palästinenserpräsident Jassir Arafat zu ermöglichen.

Nach den jüngsten Attentaten, bei denen allein in dieser Woche erneut sechs Israelis ums Leben gekommen sind, stellt sich indes auch der als Taube in der Regierung geltende Außenminister hinter seinen Regierungschef. Die islamisch-extremistischen Bewegungen zerstörten die Glaubwürdigkeit der Palästinenser, meinte Peres. „Die Hamas lässt uns keine Wahl. Sie ist eine Gruppe von Mördern.“

Für US-Präsident George W. Bush hätte das Ende der Waffenruhe im Nahen Osten kaum zu einem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können. Ausgerechnet jetzt, wo die USA versuchen eine Anti-Terror-Koalition aufzustellen, die explizit nicht eine Front des Westens gegen den Islam oder gegen die Araber werden soll und eine möglichst breite arabische Beteiligung braucht, könnte die erneute Eskalation des israelisch-palästinensischen Konflikts als Zeichen für eine solche Konfrontation gesehen werden.

Noch am Vortag hatte sich Peres mit dem palästinensischen Friedensunterhändler Saeb Erikat und Parlamentspräsident Abu Ala getroffen, um über weitere Schritte zur Beruhigung der Lage zu verhandeln. Das Gespräch verlief jedoch ergebnislos. Saeb Erikat erklärte, Arafat könne die Lage nicht kontrollieren, weil ihm die dazu notwendige Bewegungsfreiheit für seine Sicherheitstruppen fehle. Nach wie vor bestehen Reisebeschränkungen zwischen Städten sogar innerhalb des Gaza-Streifens. Unterdessen wiederholte der Palästinenserführer zwar seinen Appell, die Gewalt einzustellen. Verhaftungen von Verdächtigen fanden indes noch nicht statt.

SUSANNE KNAUL

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