piwik no script img

Päckchen stoppt U-Bahn

Erneut hält eine obskure Postsendung die Polizei auf Trab. U-Bahnhof abgesperrt. Polizei warnt vor einer Hysterie. Am Mittwoch in einem Kaufhaus gefundenes Kuvert enthielt keine Milzbranderreger

von RICHARD ROTHER

Obskure Postsendungen halten Berlin weiter auf Trab. Einen Tag nach dem vermeintlichen Milzbrandanschlag im Wedding hat gestern ein verdächtiges Päckchen einen erneuten Großeinsatz der Polizei ausgelöst. Der Gegenstand war am Nachmittag auf einer Eingangstreppe zum U-Bahnhof Turmstraße gefunden worden. Laut Augenzeugen sperrte die Polizei den Bahnhof daraufhin weiträumig ab, der Zugverkehr auf der Linie 9 war seit dem späten Nachmittag unterbrochen. Über den Inhalt des Pakets konnte die Polizei bis zum Abend keine Angaben machen. Experten des Landeskriminalamtes waren im Einsatz.

Zuvor hatte die Polizei die Bevölkerung zu mehr Ruhe und Gelassenheit aufgerufen. Landesschutzpolizeidirektor Gernot Piestert kritisierte im taz-Interview den Polizeieinsatz vom Mittwoch (siehe unten). „Das war eine Nummer zu groß“, sagte Piestert. Er kündigte an, bei künftigen Verdachtsfällen zunächst Experten hinzuzuziehen, bevor „die ganze Maschinerie der Sicherheitsbehörde in Gang gesetzt werde“.

Am Mittwoch hatte die Polizei ein Möbelkaufhaus im Wedding stundenlang abgeriegelt, weil dort ein Briefkuvert gefunden worden war. Das Robert-Koch-Institut hat bei seinen bisherigen Untersuchungen des Umschlages jedoch keine Hinweise aufMilzbrand oder andere Krankheitserreger erhalten.

Piestert registrierte bei der Bevölkerung eine verständliche Sorge. Diese nehme aber manchmal schon „Formen der Hysterie“ an. Dabei gebe es im Moment keine konkrete Bedrohungssituation. Diese Einschätzung teilt auch die Innenverwaltung. „Es gibt keinen Grund zur Panik“, so Behördensprecherin Svenja Schröder-Lomb. Sie verwies zudem auf die 200 zusätzlichen BGS-Kräfte, die der Bund der Haupstadt zur Verfügung gestellt habe. Die Innenbehörde sei den gestiegenen Anforderungen gewachsen. „Die Beamten sind im Moment enorm beansprucht, aber auch hoch motiviert.“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte gestern den Senat hingegen scharf. „Bei der Polizei ist Land unter“, sagte ein GdP-Sprecher. Die Ausstattung sei mangelhaft, Kollegen wüssten nicht, ob ihre Atemschutzmasken funktionierten. „Und am Samstag haben wir eine Großdemonstration in der Stadt.“ 250 Objektschützer könnten ohne Weiteres sofort die Schutzpolizei entlasten, „das wird aber nicht gemacht, weil keine Geld da ist“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen