: Eingeblockt in den Frieden
Autonome Gruppen rufen zur Teilnahme an der heutigen Anti-Kriegs-Demo auf. Eine einheitliche Position zum US-Angriff auf Afghanistan haben die Linksradikalen aber nicht
Der US-Militärschlag gegen Afghanistan mobilisiert die Linksautonomen. Auf der heutigen Großdemonstration der Friedensbewegung soll es einen „Block unabhängiger, autonomer und linksradikaler Gruppen“ geben. Eine gemeinsame Position zu den Luftangriffen auf Afghanistan gibt es bisher in der Szene aber nicht.
Entgegen den Befürchtungen von Innensenator Erhard Körting (SPD) scheinen die Autonomen weit davon entfernt, eine Gefahr für die Hauptstadt zu werden. Der Aufruf zum eigenen Block auf der Friedensdemo gleicht vielmehr einem verzweifelten Hilferuf: „Jetzt den Arsch hoch – oder für immer schweigen!“ Ein deutlicher Seitenhieb an interne Kontrahenten, die sich bisher weder zugunsten der USA noch des Islamisten Ussama Bin Laden und der afghanischen Taliban positionieren wollen.
Anders als noch beim Golfkrieg gegen den Irak präsentieren sich die Linksradikalen uneinig. „Nein zum Terror, Nein zum Krieg“ und „Antikapitalismus bedeutet nicht Antiamerikanismus“ formulierte beispielsweise die als Szene-Instanz geltende Redaktion der Wochenzeitung Interim. Und handelte sich damit die Kritik einiger Aktivisten ein: Das Autonomen-Blatt habe sich „erst einmal auf Seiten der ‚Zivilisation‘ und der ‚Menschenrechte‘ gegen den globalen Süden“ geschlagen, hieß es.
Demgegenüber formulieren einige linksradikale Gruppen Rechtfertigungen für den Anschlag auf das World-Trade-Center in New York. Mit den Flugzeug-Attentaten „ist die brutale und nackte Gewalt der kapitalistischen Globalisierung und imperialen Politik an ihren Ausgangspunkt zurückgekehrt“, heißt es in einer Stellungnahme von „Organisierten Autonomen“.
In der Mehrzahl jedoch verhalten sich linksradikale Gruppen gar nicht zu dem Konflikt. „Antiislamistische und antiamerikanische Positionen halten sich die Waage, deswegen sagt man nach Außen lieber nichts“, berichtet ein Szene-Kenner. Verstärkt wird diese Haltung noch durch die deutliche Parteinahme der extremen Rechten – beispielsweise der NPD – für die Taliban. So ziehen es Berliner Antifa-Gruppen vor, heute zum Protest gegen den Lichtenberger NPD-Bezirksvorsitzenden Georg-Wilhelm Magnus zu mobilisieren – fast zeitgleich mit der Friedensdemo.
Übereinstimmend abgelehnt werden in der linken Szene lediglich die verschärften Sicherheitsmaßnahmen und das von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) geschnürte Anti-Terror-Paket. Hier setzt auch die autonome Mobilisierung für die heutige Demonstration an: „Gegen ihre sogenannte Sicherheit vorgehen“ heißt es im Aufruf für einen linksradikalen Block. Der „de-facto-Ausnahmezustand“ gilt den autonomen Kriegsgegnern als Indiz für den „Ausbau eines autoritären Polizeistaats“ und als Versuch, jeglich Opposition auszuschalten. DIRK HEMPEL
Zum Sternmarsch „Kein Krieg! Aufstehen für den Frieden!“ haben rund 60 Organisationen aufgerufen. Die Demonstrationen ziehen heute ab 13 Uhr vom Brandenburger Tor, dem S-Bahnhof Friedrichstraße und dem Rothaus Rathaus zum Gendarmenmarkt
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