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Sparen wir uns die Jugend

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg will sparen. Der Etat für Kinder- und Jugendarbeit freier Träger soll um die Hälfte gekürzt werden. Trotz bereits bestehender Defizite droht jedem zweiten Projekt die Schließung. Andere Bezirke sind weniger rabiat

von PLUTONIA PLARRE

Sie haben einen stinkenden Misthaufen vors Rathaus gekippt, Flugblätter geschrieben und Protestschilder gemalt. Aber in Zeiten, in denen alle Welt über Terrorismus, Krieg und innere Sicherheit spricht, ist für die Probleme der Berliner Kinder- und Jugendeinrichtungen kein Raum. Und das, obwohl Jugendarbeit Präventionsarbeit ist, die sich als Beitrag zur inneren Sicherheit langfristig auszahlen wird. An Absichtserklärungen der Parteien auf Wahlkampfplakaten mangelt es nicht. Allen voran die SPD: „Wir sparen für die Jugend. Nicht an der Jugend.“

Doch die Lage in den Niederungen der Bezirke ist so ernst wie nie. Allein im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sind 2002 zahlreiche Projekte der Kinder- und Jugendarbeit in freier Trägerschaft von der Schließung bedroht. Von insgesamt 38 freien Trägern wird dort über die Häfte zumachen müssen, wenn der Etat von 4,8 Millionen Mark (2001) im kommenden Jahr um 50 Prozent auf 2,35 Millionen Mark gekürzt wird.

Die Kürzungen treffen einen Bezirk, der nach wie vor zu den ärmsten der Stadt gehört, die höchste Arbeitslosenquote hat und in dem fast 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft sind. Schon jetzt besteht im Kinder- und Jugendbereich ein Versorgungsdefizit von 22 Prozent. Es würde sich auf 50 Prozent erhöhen, wenn die freien Träger wegfallen. In den anderen Bezirken sieht es für die Einrichtungen in freier Trägerschaft aber kaum besser aus. „Die Situation ist schwierig“, bestätigt Wolfgang Penkert (SPD), Abteilungsleiter in der Senatsverwaltung für Jugend und Familie.

Nicht umonst wird die Kinder- und Jugendarbeit in den Bezirken aus einer Kombination freier und kommunaler Träger bestritten. Mit einem breit gefächerten Angebot soll auf die vielfältigen Bedürfnisse und Probleme der jungen Menschen reagiert werden. Zu den 38 freien Trägern in Friedrichshain-Kreuzberg gehören Projekte wie der Kinderbauernhof im Görlitzer Park, der Kinderzirkus Cabawazi und das Kinder-Kultur- und Nachbarschaftszentrum Regenbogenfabrik, die zum Teil schon seit Jahrenzenten im Kiez verankert sind. Im Gegensatz zu staatlichen Einrichtungen haben die freien Träger keinen Rechtsanspruch auf Zuwendungen, obwohl sie jedes Jahr öffentliche Mittel erhalten. Das könnte ihnen nun zum Verhängnis werden.

In einem Schreiben von Ende September hat das Bezirksamt die freien Träger vorgewarnt: Aufgrund der schwierigen Haushaltslage müsse sowohl mit Kürzungen als auch der kompletten Streichung der Zuwendungen gerechnet werden. Man möge dies bitte bei der Verlängerung von Verträgen für Mietobjekte und Personal berücksichtigen, hieß es.

Auf einem Pressegespräch bemühte sich die von den Freien Trägern zur Rede gestellte Jugendstadträtin Cornelia Reinauer (PDS) gestern vergebens um Schadensbegrenzung. Sie werde mit allen Mitteln gegen die befürchteten Einschnitten kämpfen, sagte Reinauer. Das neue Bezirksamt werde sich nach den Wahlen „bemühen“, mehr Geld für die freien Träger herauszuschlagen. „Denkbar“ sei auch, durch einen Grundstücksverkauf Mittel frei zu bekommen. Eine Lösung des Problems sei das aber nicht. Der Senat müsse über ein neues Zuwendungsmodell nachdenken, etwa in Form einer Pauschale pro Kind, forderte Reinauer. Dann könnte das Geld nach einem festgelegten Schlüssel als „Sozialraumbudget“ verteilt werden. Die Diskussion über die Aufteilung der Sozialräume und die Einbindung der freien Träger in diese wolle sie im November beginnen.

Die Vertreter der freien Träger warfen der Stadträtin vor, mit gezinkten Karten zu spielen. Statt eine politische Willensentscheidung zum Erhalt der Projekte zu treffen, sitze das PDS-geführte Bezirksamt das Problem bis nach den Wahlen aus. Danach kämen dann harte Schnitte, so die Befürchtung.

Dass es auch anders geht, hat Tempelhof-Schöneberg vorgemacht. Dort haben Bezirksamt und Bezirksverordnetenversammlung den bindenden Beschluss gefasst, dass es 2002 keinerlei Kürzungen im Bereich der Freien Träger geben wird. Ermöglicht wurde dies durch einen Grundstücksverkauf.

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