: Krise nach Rückzug in Hebron
In Israel reichen rechtsnationale Minister ihren Rücktritt ein. Sie sind gegen weitere Kompromisse mit den Palästinensern und wollen die Intifada mit allen militärischen Mitteln bekämpfen. Scharon muss mit mehr Opposition gegen seine Politik rechnen
aus Jersualem SUSANNE KNAUL
Es hatte wohl kaum jemand wirklich damit gerechnet, dass die Koalition von Außenminister Schimon Peres und den Politikern des Rechtsaußen-Bündnisses „Nationale Einheit – Israel ist unser Heim“ lange halten würde. Seit gestern 13.30 Uhr läuft die 48-stündige Frist, nach der die von Tourismusminister Rechawam Zeewi und dem Minister für Nationale Infrastruktur, Avigdor Liebermann, eingereichten Rücktrittsgesuche aus der Regierung in Kraft treten.
„Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte“, so Liebermann, sei die Entscheidung von Ministerpräsident Ariel Scharon, die israelischen Truppen aus zwei Vierteln in Hebron zurückzuziehen. Die Soldaten verließen in der Nacht den palästinensisch kontrollierten Teil der Stadt im Westjordanland.
„Es ist keine leichte Entscheidung gewesen, sich von der Regierung, an die wir so große Hoffnungen knüpften, zu trennen“, meinte Liebermann im Verlauf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in der Knesset. Ob der Rücktritt innerhalb der Frist noch zurückgezogen wird, sieht sein Bündnisfreund Seewi „sehr skeptisch“. Offen erleichtert meinte er: „Wir warten die 48 Stunden ab und werden dann die Bürde der Koalition von uns abwerfen.“
Die einzige Chance für Scharon, seine rechtskonservativen Partner zu behalten, wäre es, sich von der Arbeitspartei zu trennen, was allerdings nicht zur Debatte steht. Liebermann und Zeewi wollen künftig von den Oppositionsbänken aus versuchen, die „neue amerikanische Friedensinitiative“ zu verhindern.
Obwohl Scharon auch ohne die sieben rechtsnationalen Abgeordneten mit 73 von insgesamt 120 Mandaten noch immer eine klare Mehrheit im Parlament hinter sich hat und keine Misstrauensvoten zu fürchten braucht, wird er in Zukunft mit deutlicherem Widerstand im Parlament rechnen müssen. Solange Liebermann und Zeewi im Kabinett saßen, wo der Regierungschef auch gegen die Mehrheit der Minister entscheiden konnte, waren sie leichter in die Defensive zu drängen, als das nun der Fall sein wird. Die rechtsnationalen Politiker brauchen sich mit Kritik an der Regierung nicht länger zurückzuhalten.
Die Regierung habe „keine klare Alternative zum Oslo-Prozess angeboten“, begründete Liebermann seinen Rücktritt, und auch an der Sicherheitssituation habe sich „vor und nach dem Regierungswechsel“ im vergangenen Frühjahr „nichts verändert“. Der Politiker machte vor allem den Außenminister dafür verantwortlich, dass „Israel heute als Problemverursacher der Welt gilt“. Peres habe verboten, „die Wahrheit über (Palästinenserpräsident Jassir) Arafat zu verbreiten“, stattdessen unterstütze er dessen internationale Integrität, indem er sich wiederholt zu Treffen mit ihm bereit zeige.
„Peres ist der, der entscheidet“, zürnte Zeewi. „Scharon läuft ihm blindlings hinterher.“ Tatsächlich könnten die politischen Ziele der rechtsnationalen Front und des Außenministers von der Arbeitspartei nicht unterschiedlicher sein. Während Peres sich der Koalitionsregierung anschloss, um den mit von ihm in Oslo eingeleiteten Friedensprozess voranzutreiben, verfolgten Liebermann und Zeewi genau das gegenteilige Ziel: Sie wollten nicht nur jeden weiteren territorialen Kompromiss mit den Palästinensern verhindern, sondern vor allem die Intifada mit allen zur Verfügung stehenden militärischen Mitteln zu einem Ende bringen. Mit der Zerstörung ganzer Häuserreihen hatte Liebermann im Vorfeld der Wende gedroht. Er hätte, wenn nötig, „Teheran und den Assuan-Staudamm bombardieren“ wollen.
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