piwik no script img

Gemeinsam sind wir ökologisch

Zwei Studien befassen sich mit dem Zusammenhang zwischen umweltschonendem Verhalten und sozialem Umfeld: Wer mit den Nachbarn gut kann, geht im Alltag auch eher mit Ressourcen schonend um. Sozialer Status entscheidet aber nicht alleine

von VOLKER ENGELS

Mietern, die sich eifrig abmühen, ihren Müll nach ökologischen Kriterien zu entsorgen, treibt es regelmäßig die Wut ins Gesicht: Der eigene Müll, sorgfältig gespült und getrennt, verschwindet unter einem Berg von Hausmüll, der nie eine ordnende Hand gesehen hat. Alte Waschmaschinen verrotten in trauter Gemeinsamkeit mit ausgedienten Geschirrspülern, aus deren abgeschnittenen Schläuchen rostiges Brackwasser ins Erdreich des Hinterhofs tropft. Das leidenschaftlich gepflegte Blumenbeet ist mal wieder dem Toben der Nachbarskinder zum Opfer gefallen.

Das Forschungsprojekt „Die Bedeutung von Wohngruppen für die Bildung nachhaltiger Konsummuster“ an der Technischen Universität (TU) Berlin ist jetzt der Frage nachgegangen, welche Faktoren in der Nachbarschaft zu einem nachhaltigen und ökologischen Konsumverhalten führen. Immerhin 30 bis 40 Prozent der Umweltbelastung in Deutschland seien auf den privaten Konsum zurückzuführen.

Ein wesentliches Ergebnis der Studie, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 900.000 Mark gefördert wurde: Eine positive Nachbarschaft und ein positives „Wir-Gefühl“ beeinflussen nachhaltig das Konsumverhalten der Bewohner eines Wohngebiets.

Die Forscher haben unter anderem untersucht, unter welchen Bedingungen soziale Netze in der Nachbarschaft überhaupt entstehen können und wie diese Netze das Konsumverhalten in der Nachbarschaft beeinflussen. Ein Ergebnis der Untersuchung: In „sozial schwachen“ Gebieten würden sich soziale Netze nur schwer aufbauen, weil sich viele von anderen Bewohnern gestört fühlten und sich abgrenzten. Daher seien nachbarschaftliche Kontakte nur wenig ausgeprägt. Die Folge: Bewohner fühlen sich im Wohnumfeld nicht wohl und gehen entsprechend nachlässig mit dem Gemeinschaftseigentum um.

Nicht moralisch argumentieren

Im Gegensatz dazu würden sich funktionierende soziale Netze häufig dadurch auszeichnen, dass die Bewohner eine „ähnliche Interessenlage“ hätten. Daher fühlte sich zum Beispiel eine Familie mit eigenen Kindern durch fremden Nachwuchs weniger gestört als Menschen ohne Kinder. Einer ähnlichen Fragestellung widmet sich das Forschungsprojekt „Nachhaltiges Konsumverhalten durch ökologische Dienstleistungen und organisierte Gemeinschaftsnutzungen im großstädtischen Wohnumfeld“, das von der TU Berlin und der Universität Marburg in Kooperation mit der Wohnungswirtschaft durchgeführt wird.

In den kommenden drei Jahren sollen in enger Zusammenarbeit mit Mieterinnen und Mietern Ideen und Projekte entwickelt werden, die ein nachhaltiges und ökologisches Konsumverhalten fördern. Die Idee, die hinter dem Projekt steht, das vom Bundesbildungsministerium gefördert wird, klingt bestechend: „Jede gemeinschaftliche Nutzung von Konsumgütern“, sagt Projektmitarbeiterin Kathrin Buchholz, „kann die Umwelt entlasten.“ Doch nicht alleine auf den klassischen Ökohaushalt ist der Blick des Projektes gerichtet: „Wir wollen an die normalen Mieter herankommen“, meint die Umwelttechnikerin, daher mache es wenig Sinn „alleine mit dem moralischen Zeigefinger zu argumentieren.“ Daher müssten in „partizipativen Prozessen“ Konzepte entwickelt, ausprobiert und überprüft werden, die an den „Alltagsrealitäten“ der Mieter orientiert seien.

Dazu sollen neue Wege der Kommunikation, Information und Organisation beschritten werden. Konkret: Bohrmaschinen, Autos oder Lastenfahrräder könnten von Mietern gemeinsam angeschafft und genutzt werden. Ein „Geschirrpool“, aus dem sich alle Mieter bei Festen bedienen können, entlastet die Umwelt, den Küchenschrank und die Geldbörse jedes einzelnen. „Wenn Mieter Interesse an ökologischen Gemüsekisten-Abos haben, aber bei jeder Lieferung anwesend sein müssen, ist das für viele ein Hemmnis“, beschreibt Kathrin Buchholz die alltäglichen Sorgen ökobewusster Verbraucher. In einer gut funktionierenden Hausgemeinschaft könnten derartige Probleme etwa damit gelöst werden, dass ein verantwortlicher Mieter die Abo-Kisten entgegennimmt und in einem Gemeinschaftsraum deponiert.

Neben positiven ökologischen Effekten führe ein solches Miteinander aber auch dazu, dass „die Leute mehr miteinander kommunizieren“ und sich dadurch die Lebensumstände verbesserten.

Vom sozialen Status alleine will die diplomierte Umwelttechnikerin umweltgerechtes Konsumverhalten allerdings nicht abhängig machen: Man könne nicht grundsätzlich auf die „bösen Aldi-Gänger“ hinabblicken, denn: „Sozial schwache Haushalte haben oft nur wenig Chancen, sich überhaupt unökologisch zu verhalten.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen