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Bauern kassieren für virtuelle Tonnen von Flachs

Europäische Betrugsbehörde verurteilt spanische Flachsanbauer wegen Subventionsbetrugs in großem Stil. EU-Kommissarin Palacio wackelt

MADRID taz ■ Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Loyola de Palacio, gerät immer mehr unter Druck. In ihrer Zeit als Landwirtschaftsministerin haben spanische Landwirte jahrelang Subventionsbetrug betrieben. Sie rechneten Flachsbeihilfen ab, ohne die entsprechenden Mengen jemals angepflanzt zu haben. Jetzt sollen sie Madrid insgesamt 21 Milliarden Peseten (126,5 Mio. Euro) zurückzahlen, die gesamten Flachssubventionen von 1996 bis 1999. Das fordert die europäische Betrugsbehörde Olaf.

„Jetzt gibt es genug Beweise“, sagte der Landwirtschaftsminister der Regionalregierung von Castilla-La Mancha, Alejandro Alonso. „Loyola de Palacio muss zurücktreten.“ In seiner Region war es vor Extremadurien zu den meisten Betrugsfällen gekommen. Auch Familienangehörige des Vorsitzenden der Vergabebehörde für EU-Subventionen, Lopez de Coca, der ein enger Mitarbeiter von Landwirtschaftsministerin de Palacio war, hatten sich offenbar illegal bereichert. Coca ist zurückgetreten.

Palacio schweigt zu den Vorwürfen, doch der Bericht aus Brüssel spricht für sich: Seit Anfang der 90er-Jahre wird Flachsanbau und -weiterverarbeitung von der EU subventioniert. Die Förderung in Höhe von 1.500 Mark pro Hektar wird erst gezahlt, wenn die Unternehmen, die den Flachs weiterverarbeiten, den Bauern die angelieferte Menge attestieren. Um die Sache zu vereinfachen, gründeten die Flachsbauern die dazugehörige Industrie gleich selbst. Das Ergebnis: Insgesamt können in Spanien nur 29 Millionen Tonnen Flachs pro Jahr zu Leinen verarbeitet werden, abgerechnet wurden alleine 1998 84 Millionen Tonnen. Als der Skandal vor zweieinhalb Jahren ins Rollen kam, versuchten Fabrikbesitzer gleich mehrfach, Beweismittel zu vernichten: Mehrere Fabriken und Lagerhallen gingen in Flammen auf.

Bereits im Januar hatte Palacio versucht, die Flucht nach vorn anzutreten. Sie erstattete vor dem obersten spanischen Strafgericht Strafanzeige wegen „allgemeinem Betrug“. Ob sie sich damit retten kann, ist ungewiss. Aber eines wird die Anzeige sicher bewirken: Für die Verteilung der Subventionen vor Ort sind die Regionalregierungen zuständig. Und falls Palacio ihre Kontrollpflicht vernachlässigt hat, gilt dies auch für die Regierung von Castilla la Mancha und Extremadurien. In beiden Regionen ist das die sozialistische Oppositionspartei PSOE, die seit Jahren den Rücktritt von Palacio fordert.

REINER WANDLER

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