Der Regierende Kanzler

Gerhard Schröder hat enschieden, wer Koalitionsverhandlungen führen darf: Rot, Grün und Gelb. Jetzt müssen die Parteien sehen, dass sie sich zusammenraufen. Bei den Grünen wird das schwierig

von ADRIENNE WOLTERSDORF

Klaus Wowereit hat schon beseeltere Verkündungen fertig gebracht. Doch was der Regierende Bürgermeister am Montag abend den Medien bot, war eine Mitteilung. Nüchtern fasste er die Sachzwänge seiner Berliner Regierungsbildung zusammen. Nach der Entscheidung der Sozialdemokraten für eine Ampelkoalition mit Grünen und FDP findet der weitere Machtpoker seine Fortsetzung nun im Kleingedruckten.

Dass der Spree-SPD die Entscheidung für Verhandlungen über eine Ampelkoalition sichtlich schwer fällt, beweisen die acht Gegenstimmen bei 17 Ja-Stimmen und drei Enthaltungen. Der Landesverband steht unter Kanzler-Druck. Denn gleich welches Bündnis er schmiedet, es gilt als Signal für die Wahl zum Bundestag in elf Monaten. Nun sieht es so aus, dass die SPD ihre Verbindung mit den Grünen stärken und zugleich die Tür zur FDP offen halten möchte. Unterdessen schloss der frühere Regierende Bürgermeister Walter Momper (SPD) ein Scheitern der Koalitionsverhandlungen nicht aus. Sollte sich herausstellen, dass die Haushaltssanierung für Grüne oder FDP „nicht machbar ist, dann ist Ende der Fahnenstange“, sagte er dem Berliner Kurier.

Frühestens Mitte kommender Woche könnten die Koalitionsverhandlungen beginnen. Gleichzeitig mit ersten Runden im Ring wollen die Grünen nach Angaben eines Sprechers für den 7. November eine Landesdelegiertenkonferenz einberufen. Auf der soll über die Aufnahme der Gespräche mit SPD und FDP entschieden werden.

Grünen-Frontfrau Sibyll Klotz sagte am Dienstag, ihre Partei werde keine Grundsatzpositionen aufgeben. „Das kriegen wir bestimmt nicht hin, wenn wir mit verbogener Wirbelsäule da hineingehen.“ Klotz erklärte gemeinsam mit den Landespartei-Vorsitzenden Regina Michalik und Till Heyer-Stuffer, die Zeit bis zur Aufnahme der Koalitionsgespräche solle für vertiefende Gespräche mit der FDP genutzt werden.

Demgegenüber sagte der Berliner Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele der Nachrichtenagentur AFP, er halte die Ampelkoalition für eine “schlechte Variante“. Zwischen seiner Partei und der FDP gebe es “fast gegensätzliche Standpunkte“.

Die PDS warf den Sozialdemokraten vor, mit der Entscheidung gegen ein rot-rotes Bündnis den Wählerwillen der Menschen im Ostteil der Hauptstadt zu missachten. Die Sozialdemokraten „ignorierten“ das politische Gewicht der PDS. Schon einen Tag nach der Weichenstellung Richtung Ampel betonten alle drei „Partner in spe“, sie unterschrieben nur, wenn die Koalitionsvereinbarung eine deutlich „sozialdemokratische“, „grüne“ und „liberale“ Handschrift trage.

Auf Landesebene trennten Grüne und Liberale bisher vor allem in Verkehrs-, Bildungs- und Wirtschaftspolitik tiefe inhaltliche Gräben. Ob die am Vortag von FDP und Grünen bekundete Kompromissbereitschaft, in den Dissenspunkten aufeinander zuzugehen, hält, was sie verspricht, werden erst die Koalitionsverhandlungen erweisen. Die Absichtsbekundungen müssen dann im Detail verhandelt und unterschriftsreif gemacht werden. Der PDS-Spitzenkandidat Gregor Gysi sagte dem Berlin-Brandenburger Inforadio: „Wowereit hat auf den Kanzler gehört – der will hier einen Testlauf für Ampeln, weil er befürchtet, dass im nächsten Jahr bei der Bundestagswahl seine Mehrheit für SPD und Grüne nicht ausreicht.“ Die jetzige Entscheidung werde zu einer weiteren Spaltung der Stadt führen, weil im Osten viele Wähler eine Beteiligung der PDS an der Regierung sehen wolten.