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Schröder kauft Ampel

Unverhohlener Druck des Kanzlers: Berliner SPD votiert für Ampelkoalition. Geld spielt entscheidende Rolle. PDS aus kriegspolitischen Gründen nicht akzeptabel. Richtungsentscheid für 2002

BERLIN dpa /taz ■ Die Berliner SPD hat die Katze schneller aus dem Sack gelassen als erwartet. Die Weichenstellung zu Gunsten einer Ampelregierung in Berlin wurde aus Rücksicht auf bundespolitische Interessen und aus nüchternen finanziellen Erwägungen getroffen. Indem die Hauptstadtgenossen der PDS einen Korb gaben, wollten sie sich weder die durch ihren Wahlsieg neu erworbene Gunst von Bundeskanzler Gerhard Schröder verscherzen noch den Fluss dringend benötigter Bundesmilliarden zur Sanierung des desaströsen Landeshaushaltes verstopfen. Dafür sprach sich die SPD mit Grünen und FDP für zwei Regierungspartner aus, die unterschiedlicher kaum sein könnten und sich auf Bundesebene bis aufs Messer befehden.

Schröder hatte jedoch seine Präferenz für eine Ampel eindeutig klar gemacht, ohne nennenswerten Ausweg für die Berliner Sozis. Auch der Hinweis auf die prekäre Finanzsituation der Hauptstadt blieb nicht aus. Berlin sei auf die Zusammenarbeit mit dem Bund angewiesen, und „das funktioniert nur auf Gegenseitigkeit“, hieß des Kanzlers kaum verhüllte Drohung. Nach dem Ausscheren aus der unbedingten Solidaritätsfront mit den USA war die PDS für den Kanzler nicht mehr akzeptabel.

Der Berliner SPD-Vorsitzende Peter Strieder räumte am Dienstag ein, Berlin brauche wegen der schwierigen finanziellen Situation „viele Freunde in Bundesrat und Bundestag“. Hier wäre die mangelnde Akzeptanz der PDS hinderlich. Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion fügte hinzu, wenn der SPD von Bundesebene „so deutlich signalisiert“ werde, dass man die PDS hinsichtlich ihrer gegenwärtigen bundespolitischen Ausrichtung für einen unsicheren Kantonisten hält, „dann war die Entscheidung eigentlich vorgegeben“.

Der Fraktionschef der PDS im Bundestag, Roland Claus, erklärte, er erwarte Stimmenverluste der SPD im Osten bei der Bundestagswahl 2002. „Wenn Schröder sich so einmischt, könnte er durch den Osten sein Amt verlieren“, sagte Claus. Gregor Gysi meinte: „Wowereit hat auf den Kanzler gehört – der will hier einen Testlauf für Ampeln, weil er befürchtet, dass seine Mehrheit bei der Bundestagswahl 2002 für SPD und Grüne nicht ausreicht.“ Schon einen Tag nach der Weichenstellung Richtung Ampel betonten alle drei „Partner in spe“, sie unterschrieben nur, wenn die Koalitionsvereinbarung eine deutlich „sozialdemokratische“, „grüne“ und „liberale“ Handschrift trage. Dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele schwant Übles. „Ich denke, dass die FDP alles unterschreiben wird, um in den Senat zu kommen, und dann wird das Tal der Tränen beginnen.“ Die Grünen entscheiden am 7. November auf einer Delegiertenkonferenz über die Zustimmung zu einer Ampelkoalition. GB

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