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So wahr uns Gott helfe

Schwarz-Schill hat die Macht in Hamburg übernommen. Ole von Beust zum Ersten Bürgermeister gewählt – knapper als erwartet  ■ Von Sven-Michael Veit

Diese Regierung erklärt sich nicht. Seit gestern Nachmittag um 15.34 Uhr ist Ole von Beust Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, die traditionelle Regierungserklärung aber will der 46-Jährige erst auf der nächsten Bürgerschaftssitzung in zwei Wochen abgeben. Der lang anhaltende Beifall der drei Fraktionen der Rechtskoalition tröstete den Strahlenden darüber hinweg, dass nicht alle für ihn votiert hatten, die für ihn hätten votieren sollen: Nur 62 von 64 Stimmen aus CDU, Schill-Partei und FDP hatte von Beust in geheimer Abstimmung erhalten, gerade mal eine mehr als unbedingt erforderlich. Die gesetzliche Mehrheit beträgt 61 von 121 Abgeordneten. Während 57 Nein-Stimmen auf vollständige Geschlossenheit der neuen Opposition aus SPD und GAL hindeuteten, müssen eine Enthaltung und eine ungültige Stimme aus dem Rechtsblock gekommen sein. Von Beust dürfte dies verschmerzen können: Um 15.37 Uhr leistete er vor Parlamentspräsidentin Dorothee Stapelfeldt (SPD) als zweiter CDU-Senatschef in Hamburg den Amtseid „so wahr mir Gott helfe“, wie es sich für den Spitzenmann der Christenunion gehört. Die Sozialdemokraten, die erstmals seit 1957 nicht mehr den Regierungschef stellen und den Senat dominieren, kündigten umgehend herzhafte Opposition an. Kaum dass Ole von Beust die Glückwünsche seines SPD-Vorgängers Ortwin Runde entgegengenommen hatte, überreichte ihm SPD-Fraktionschef Uwe Grund einen überdimensionalen Kalender. 100 Tage von gestern bis zum „07.02“ nächsten Jahres sind darauf aufgelistet: „100 Tage Schonfrist sind schnell vorbei“, so Grund: „Der Countdown läuft.“

Gegen den neuen Senat, bei dessen geheimer Wahl eine Stimme ungültig war: 63 zu 57 war dennoch eine ausreichende Mehrheit für das neue Kabinett, das um 16.35 Uhr unter den leuchtenden Augen des Ersten Bürgermeisters Ole von Beust, der noch einsam auf der Regierungsbank Platz genommen hatte, vereidigt wurde. Nur Vize-Regierungschef und Innensenator Ronald Schill sowie der parteilose Wissenschaftssenator Jörg Dräger schworen, ohne höheren Beistand in Anspruch zu nehmen. Birgit Schnieber-Jastram (Soziales), Roger Kusch (Justiz), Wolfgang Peiner (Finanzen) und Gunnar Uldall (Wirtschaft, alle CDU), die Schill-Leute Mario Mettbach (Bau) und Peter Rehaag (Umwelt) sowie Rudolf Lange (Schule, FDP) hingegen wähnen, ihren Ämtern nicht ohne Gottes Hilfe gewachsen zu sein. Was zunächst vor allem auf letzteren zutreffen dürfte: Lange muss fürs Erste das Kulturressort mitbetreuen, da es Schwarz-Schill noch immer an einem Präses für diese Behörde gebricht. Der erste SPD-freie Senat Hamburgs seit 44 Jahren, der um 17.11 Uhr auf der Regierungsbank Platz nahm, ist bis auf weiteres auch kulturlos.

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