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Wer Deutscher ist, darf bleiben

Auch mit dem „Sicherheitspaket II“ zur Terrorprävention der Bundesregierung können islamistische Extremisten nicht generell ausgewiesen werden

aus Köln PASCAL BEUCKER

Muntasir-billah ist überzeugtes Mitglied des „Kalifatstaats“. Aus dem Gefängnis schreibt er glühende Briefe an Metin Kaplan und seine Gemeinde: „Möge Allah unseren Kalifen beschützen und unserer Bewegung eine dynamische Weiterentwicklung zuteil werden lassen!“ Er ist einer derjenigen islamischen Extremisten, die CSU-Chef Edmund Stoiber lieber heute als morgen ausweisen lassen will. Die „erste Nagelprobe“ für das Sicherheitspaket II sei, „dass der selbst ernannte Kalif von Köln und die 1.100 Mitglieder seines ,Kalifatsstaats‘ mit Hilfe des neuen Rechts ausgewiesen werden können“, verkündete der bayerische Ministerpräsident. Diese Nagelprobe wird das Paket nicht bestehen – wegen Menschen wie Muntasir-billah. Denn der ist deutscher Staatsbürger. Anfang der Neunzigerjahre machte er unter seinem bürgerlichen Namen Bernhard Falk mit seinem ebenfalls zum Islam konvertierten Genossen Michael Steinau als Antiimperialistische Zelle AIZ Schlagzeilen. 1999 verurteilte ihn das Düsseldorfer Oberlandesgericht (OLG) unter anderem wegen mehrfach versuchten Mordes zu 13 Jahren Haft. Während des Prozesses zur moralischen Unterstützung an seiner Seite: eine Abordnung des „Kalifatstaats“.

Der „Kalifatstaat“ Metin Kaplans ist die schillerndste Erscheinung des politischen Islam in Deutschland. Wenn seine Mitglieder zur zentralen Moschee in Köln-Nippes pilgern, fallen sie schon durch ihre exotische Kleidung auf: Die Männer tragen Turban und Pluderhosen, die Frauen meist einen Ganzkörperschleier. Über sich sagen sie: „Ein jeder von uns ist ein freiwilliger Soldat, ein natürlicher Stab der islamischen Armee.“

Entstanden ist die skurrile Vereinigung aus einem Streit über den richtigen Weg. 1983 brach Cemaleddin Kaplan, der Vater Metins und langjähriger Mufti von Adana, mit dem türkischen Islamistenführer Necmettin Erbakan und dessen deutschem Ableger Milli Görüs. Während Erbakan, der seinen Weggefährten 1981 in die Bundesrepublik geschickt hatte, auf den Marsch durch die Institutionen setzte, propagierte Kaplan den gewaltsamen Umsturz zur Verwirklichung des Gottesstaates in der Türkei. Am 13. August 1983 verkündete Kaplan seine Abspaltung von Milli Görüs. Der „Khomeini von Köln“ gründete den „Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e. V.“, den er 1992 in „Islamischer Bundesstaat Anatolien“ umbenannte. Zwei Jahre später proklamierte er den „Kalifatstaat“.

Konnte der 1995 verstorbene Cemaleddin Kaplan zu Hochzeiten rund 7.000 Anhänger um sich scharen, schrumpfte der „Kalifatstaat“ unter Sohn Metin inzwischen auf gut 1.100 Gläubige. Davon kommen 550 aus Nordrhein-Westfalen. Der NRW-Verfassungsschutz bescheinigt dem Verband in seinem Zwischenbericht 2001, sich „organisatorisch in einem zerrütteten Zustand zu befinden, da mit Ausnahme von Gedenkveranstaltungen kaum noch Aktionen bekannt werden“.

Nicht unmaßgeblich dazu beigetragen hat die Inhaftierung Kaplans am 25. März 1999. Nach eineinhalb Jahren Untersuchungshaft verurteilte ihn das OLG Düsseldorf am 15. November 2000 zu einer vierjährigen Haftstrafe, weil er mehrfach zur Tötung des kurz darauf ermordeten „Gegenkalifen“ Halil Ibrahim Sofu aufgerufen hatte. Sein mitangeklagter Schwager Hasan Basri Gökbulut erhielt drei Jahre.

Erst Donnerstag voriger Woche bestätigte der Bundesgerichtshof die Urteile. Gökbulut, der als rechte Hand Kaplans gilt, ist trotzdem in Freiheit: Er tauchte noch während der Verhandlung unter und ist seitdem auf der Flucht. Er wird noch mit einem weiteren Mord in Verbindung gebracht: Seine Ehefrau starb durch einen Genickschuss. Sie hatte sich vor ihrem Mann in ein Frauenhaus geflüchtet und soll gedroht haben, Interna der Organisation zu verraten.

Auch wenn es der Regierung gelingen sollte, Metin nach Verbüßung seiner Strafe in die Türkei abzuschieben – die Kaplans bleiben Deutschland erhalten. Denn seine drei Kinder sind deutsche Staatsbürger. Wie sein Vater hat aber auch Sohn Fatih Ärger mit den deutschen Behörden: Er hat seine Einberufung bekommen. Doch Fatih hat Widerspruch eingelegt, er will nicht zur Bundeswehr. Dabei könnte die Schlagzeile seinem Vater gefallen: „Bundeswehr bildet Kaplans Sohn militärisch aus.“

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