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Grüne fahren in den Graben

GAL schickt Parteivorstand wegen der Wahlniederlage in die Wüste. Kritik auch an Krista Sager und Fraktion  ■ Von Sven-Michael Veit

Am Ende waren Freund wie Feind geschockt. Und manche flüchteten sich in Sarkasmus: „Die Partei lebt ja doch noch“, konstatierte Martin Schmidt süßsauer. Gerade hatte der langjährige Bürgerschaftsabgeordnete der GAL vom Präsidiumspodium aus der grünen Basis eröffnet, dass diese soeben ihren Parteivorstand in die Wüste geschickt hatte. Ein Ergebnis, das niemand auf der Landesmitgliederversammlung (LMV) der GAL am Sonnabend in der Altonaer Haubach-Schule wirklich erwartet hatte.

Lediglich 73 Grüne hatten die Vertrauensfrage des Landesvorstandes mit Ja beantwortet, 76 hingegen verneint. Nach kurzer Beratung hinter verschlossenen Türen erklärte Parteisprecherin Antje Radcke daraufhin den sofortigen Rücktritt des siebenköpfigen Führungsgremiums. Es bleibt geschäftsführend im Amt bis zur Neuwahl eines Vorstandes, die satzungsgemäß frühestens Mitte Dezember erfolgen könnte.

„Da wollten einige noch ein paar alte Rechnungen begleichen“, vermutet Radckes Co-Parteichef Kurt Edler. Gleichwohl scheide er „ohne Verbitterung und mit vollem Respekt vor dieser Entscheidung der Versammlung“. Der Vorstand hatte sich nach massiver Kritik der Basis nach der Niederlage bei der Bürgerschaftswahl zur Vertrauensfrage entschlossen (taz berichtete).

Der Ruf nach „personellen Konsequenzen“ hatte sich allerdings auch auf Spitzenkandidatin Krista Sager, die bisherigen Senatoren Willfried Maier und Alexander Porschke sowie den Fraktionsvorstand um die Vorsitzende Antje Möller bezogen. Sie kamen aus formalen Gründen unbeschadet davon: Ein entsprechender Antrag, „ins zweite Glied zurückzutreten“, wurde von der LMV mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ein personeller Neuanfang sei auch in der Bürgerschaft wünschenswert, erklärten viele RednerInnen in der mehrstündigen Debatte. Nach überwiegender Auffassung aber ist es faktisch eine interne Angelegenheit der Fraktion, ihre Spitze selbst zu bestimmen. Bei der Neuwahl der Fraktionsführung am heutigen Montag treten Sager und Möller gegeneinander an.

Große Uneinigkeit hatte es auf der LMV über die Frage gegeben, wer eigentlich Schuld sei an der Wahlniederlage am 23. September. Krista Sager als Spitzenkandidatin trage „eine ganz spezielle Verantwortung“, meinte Lars Andersen, Fraktions-Vize in der Bezirksversammlung Altona. Aber auch Radcke und Edler als Parteivorsitzende hätten „den grünen Bus in den Graben gefahren“. Er monierte, dass niemand sich bislang klar zu seiner Verantwortung bekannt habe: „Das ist Fahrerflucht.“ Ex-Parteichefin Kordula Leites wandte sich gegen eine „Politik des weiter so“ zu Beginn der Oppositionszeit. „Ein Neuanfang in Partei und Fraktion“ müsse jetzt her.

Ex-Senator Willfried Maier hingegen erklärte ein „Rollenlassen von Köpfen“ für unsinnig. Die „diffusen Machtstrukturen“ zwischen Partei, Fraktion und Senatsmitgliedern hätten zum Debakel an der Urne mit beigetragen. Es gebe „locker 14 Verantwortliche und damit also niemanden“.

Ein Sündenbock zumindest wurde aber gefunden.

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