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Mit „Dreck“ gegen rechts

Ein Gefängnispfarrer startet in der JVA Brandenburg ein antirassistisches Theaterprojekt. Die geladenen Gäste von der Anstaltsleitung kommen nicht

BERLIN taz ■ Hinter den roten Backsteinmauern der Justizvollzugsanstalt Brandenburg sitzen rund 500 Strafgefangene und über 300 Untersuchungshäftlinge ein. Wer aus einer der Kleinstädte des Flächenlands Brandenburg hierher geschickt wird, verbüßt meist eine langjährige Haftstrafe.

Für Schlagzeilen sorgte das Gefängnis, in dem sich während des Nationalsozialismus eine Hinrichtungsstätte für Widerstandskämpfer befand, auch durch die Aktivitäten rechter Gefangener. Sei es, dass in der anstaltseigenen Druckerei rechtsextreme Propagandapostillen hergestellt wurden und sich so genannte Knastkameradschaften gründeten oder dass in den Zellen immer wieder einschlägige CDs und Zeitschriften gefunden werden.

Doch Knuth Fischer, seit knapp vier Jahren evangelischer Gefängnispfarrer, hält die Handvoll „organisierter Rechter“, die hier ihre Haftstrafen für Gewaltdelikte verbüßen, nur für den sichtbaren Teil des Problems, das der ganze Knast hat. Fischer sucht die Auseinandersetzung „mit fremdenfeindlichen Vorurteilen“ – an einem Ort, wo statt Diskussionen vor allem Disziplin erwünscht ist.

Und so hatte er sich für den Start seines von der Amadeu-Antonio-Stiftung geförderten Modellprojekts auch „eine Provokation“ gewünscht. Gemeinsam mit dem Performing Arts Network (PAN) aus Berlin und dem polnischen Schauspieler Maciej Lysakowski organisierte Fischer in dieser Woche die Aufführung von „Dreck“ – Robert Schneiders Geschichte des irakischen Rosenverkäufers Sad, der sich ohne Aufenthaltsstatus und Arbeitsgenehmigung in Deutschland durchschlägt. Kein Stück, das Mitleid erzeugt, sondern den Zuschauern die Stammtischparolen von der „Überlegenheit der deutschen Kultur“ und „den dreckigen Ausländern“ entgegenschleudert.

Das lässt die rund 80 Gefangenen, die sich in ihren blau-weiß gestreiften Anstaltshemden in dem ehemaligen Kirchenraum der Haftanstalt einfinden, schnell jegliche Zurückhaltung vergessen. Als Maciej Lysakowski das alte Soldatenlied „Ich hatt’ einen Kameraden“ zu summen beginnt, stimmt einer der Skinheads in den hinteren Bänken lauthals ein, während ein rumänischer Gefangener mit einem ironischen Hitlergruß antwortet. Gespaltene Reaktionen auch nach der Aufführung. „Wir werden in Deutschland tatsächlich wie Dreck behandelt“, findet ein 28-jähriger Rumäne, der seit fünf Jahren in Haft ist. Probleme habe er allerdings weniger mit den deutschen Gefangenen als mit dem Wachpersonal. „Wir bekommen die gleichen Strafen wie die Deutschen, aber haben weniger Rechte“, sagt der Mann. Die Umstehenden nicken und nennen Beispiele. Es gebe keine Deutschkurse für nichtdeutsche Gefangene, der Bezug rumänischer Videos und Musik sei nicht gestattet, und im Sommer habe sich ein rumänischer Häftling aus Verzweiflung über andauernde Schikanen erhängt.

„Ich hätte lieber etwas zum Lachen gesehen“, meint dagegen ein älterer deutscher Gefangener. Sein Banknachbar widerspricht: „Das hast du jeden Tag im Fernsehen.“ Ihn habe die Botschaft von „Dreck“ an seine bevorstehende Entlassung erinnert. „Wenn du nach so langer Zeit aus dem Knast rauskommst, bist du für die Leute doch ein Niemand.“ Nur bei den überzeugten Rechten will die Botschaft nicht so recht ankommen. „Was der Schauspieler über die Ausländer gesagt hat, stimmt doch. Aber der glaubt ja leider nicht wirklich dran“, sagt einer, der sich das Wort „Skinhead“ auf den Kopf tätowiert hat und nur gekommen ist, „weil das mal eine Abwechslung ist und es hinterher belegte Brötchen gibt“.

Für Gefängnispfarrer Fischer ist das Theaterstück trotzdem „ein erster Schritt“. Der 54-Jährige bedauert lediglich, dass die geladenen Gäste aus dem Justizministerium und von der Anstaltsleitung an diesem Abend keine Zeit hatten. HEIKE KLEFFNER

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