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Geschickte Polizisten

Präsenter noch als die Castor-Gegner scheint im Wendland die Polizei zu sein. In Dannenberg organisiert sich nur mählich der Widerstand

DANNENBERG taz ■ „Polizei fand Rohre im Gleisbett“, steht an der Infotafel im Camp Hitzacker. „Mist“, flucht der Hüne mit Pudelmütze: „Das waren schon die dritten.“ Ein rastabezopftes Mädchen versucht Mut zu machen: „Das heißt doch nur, dass diesmal viel, viel mehr geplant ist.“ Doch der Hüne lässt sich nicht anstecken: „Oder dass sie die Strecke wesentlich besser im Griff haben.“

Angebrachtes Misstrauen. Ein gutes Dutzend Zelte im Camp Hitzacker, etwa 150 Protestler im Camp Köhlingen – nur zwei der etwa zehn geplanten Camps wurden genehmigt; und nicht mal die sind sonderlich gut besucht. „Dieser Transport ist nicht mehr der Transport“, urteilt Hauke von der Agentur 70. Also nicht der erste, den die Grünen zu verantworten haben, sondern nur ein weiterer, der auf die grüne Kappe geht.

Im Sommer hatte sich die Mediengruppe Agentur 70 gegründet, um die vielen kleinen Aktionen am Rande besser ins Schlaglicht der Berichterstattung zu rücken. Bislang gab es allerdings noch nicht viel zu rücken. Geradezu beschaulich geht es auf der Infowiese in Dahlenburg zu, die Hauke als den westlichsten wendländischen Protestpunkt bezeichnet. Der lag im März noch 20 Kilometer weiter westlich; damals campierten an die 3.000 Anti-Atom-Bewegte in Wendisch Ewern. „Der Castor ist im Moment nicht das Hauptprotestthema“, sagt Hauke. Die Beteiligung an den Demonstrationen – vielleicht 150 Demonstranten am Vormittag in Dahlenburg, an die 400 nachmittags in Dannenberg – bestätigen dies.

„Die Polizei hat ihre Strategie geändert und unheimlich viel gelernt“, urteilt Hauke. Schon im Vorfeld würden sie dem Protest „diesmal viel mehr auf die Nerven gehen. Die schränken unsere Mobilität ganz geschickt und ganz deutlich ein.“ Gruppen wie Greenpeace oder Robin Wood könnten praktisch keinen Schritt machen, ohne von der Polizei observiert zu werden.

Dennoch war es gestern Morgen vier Aktivisten gelungen, sich – wenn auch nur kurz – bei Harlingen in Bäumen an der Bahnlinie festzuketten. „Es sind genau so viele Polizisten wie beim letzten Mal. Nur wird man das Gefühl nicht los, dass die wesentlich präsenter sind“, beurteilt Greenpeace-Sprecher Veit Burger die erste Muskelprobe mit der Staatsmacht. Wie hoch stehen denn die Chancen, dass die Castoren gestoppt werden können? „Darum geht es uns gar nicht mehr“, sagt Burger. „Wir wollen mit unseren Aktionen verdeutlichen, dass auch die rot-grüne Bundesregierung eine verantwortungslose Entsorgungspolitik zugunsten der Energiekonzerne macht – zu Lasten der Bürger und auf dem Rücken der Polizei.“

Auf der Bürgerwiese in Dannenberg, geht es wesentlich hektischer zu. „Ihr müsst zur Demo kommen, alle“, sagt der Mann hinter dem Tisch. „Sonst heißt es dann wieder in der Presse, es waren bloß ein paar hundert Hanseln da.“

Kai und Anne jedenfalls werden kommen. Sie sind gerade aus Braunschweig und Celle im Camp eingetroffen. „Ich bin schon ein bisschen traurig, dass hier so wenig los ist“, sagt Anne, die doch unbedingt das Erfolgserlebnis vom März wiederholen wollte. „Wir jedenfalls werden es versuchen“, sagt Kai, der von vielen erzählt, die noch kommen wollen. Seine Begründung klingt plausibel: „Wenn die Weltrevolution jemals ausbrechen sollte, dann wird sie ihre Wurzeln im Wendland haben.“ NICK REIMER

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