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Tabus kennen nur die Roten

Trotz kleinerer Konflikte stehen beim Thema Innere Sicherheit Grüne und FDP gemeinsam gegen SPD. Streit kündigt sich um Kennzeichungspflicht für Polizisten und Entrümpelung des Polizeigesetzes an

von PLUTONIA PLARRE

Zu den spannenden Fragen in diesen Tagen gehört ganz eindeutig diese: Wie könnte die Innenpolitik einer Ampelregierung aussehen? Die Verhandlungsgruppe Innere Sicherheit hat dazu am Dienstagabend zum zweiten Mal getagt. Aber bevor nicht erste Ergebnisse feststehen, sind die Unterhändler zum Schweigen verdammt worden. Nach allem, was trotzdem nach außen gedrungen ist, scheint aber Fakt zu sein, dass sich FDP und Grüne in vielen Punken wesentlich näher stehen als der SPD.

Das Hauptproblem der Verhandlungen ist natürlich die miserable Haushaltslage. Kann bei einer Polizei, deren Beamte im Vollzugsdienst weit über 1 Million Überstunden mit sich herumschleppen, überhaupt noch gespart werden? Konsens in der Verhandlungskommission scheint immerhin zu sein, dass die Führungsebene bei der Polizei gestrafft und im Landespolizeiverwaltungsamt (LPVA) Stellen abgebaut werden müssen. Die SPD möchte von den bislang 4.800 Stellen im LPVA mittelfristig 5 bis zehn Prozent streichen. Ein Teil davon wollen die Sozialdemokraten aber auf den Polizeivollzugsdienst umschichten, um dort den Status quo zu erhalten. Die Grünen dagegen möchten das LPVA ganz auflösen und die Aufgaben dem Landesverwaltungsamt übertragen. Angesichts der Tatsache, dass Berlin pro Einwohner immer noch 600 Mark im Jahr für die Polizei ausgibt – für die Hochschulen nur 150 Mark – sei ihnen bei der Polizei nichts „sakrosankt“ , verlautet aus grünen Kreisen.

Was eine Entlastung der Polizei „von polizeifremden Aufgaben“ angeht, gehen die Vorstellungen der FDP am Weitesten: Polizeiliche Sekundäraufgaben, wie der Objektschutz und die Ahndung von Verkehrsverstößen sowie Ordnerdienste bei kommerziellen Veranstaltungen sollten von privaten Sicherheitsdiensten übernommen werden. Auch interne Dienstleistungen wie die Betreuung des Fuhrparks und die Beschaffung von Bekleidung und Ähnlichem könne durch freie Unternehmen besorgt werden. Die Grünen halten nichts von einer Privatisierung des Objektschutzes, finden die Auslagerung von Zuständigkeiten bei Bagatellunfällen aber überlegenswert.

Richtig spannend wird es ganz woanders. Grüne und FDP sind für eine „Entrümpelung“ des Landespolizeigesetzes. Sie wollen, dass die Vorschrift für verdachtsunabhängigen Kontrollen überprüft und der „richterliche Vorbehalt“ ausgeweitet wird. Im Klartext: Nicht nur die Rasterfahndung soll von der Zustimmung eines Richters abhängen, sondern auch der Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern. Die Rechenschaftspflicht des Innensenators für derartige Maßnahmen und langfristige Observationen soll außerdem erhöht werden. Die SPD dagegen hat klar signalisiert, dass sie das Polizeigesetz überhaupt nicht antasten möchte.

Einig sind sich Grüne und FDP auch in der Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte. Die Grünen haben sich in der Vergangenheit stets für ein Namensschild an der Uniform ausgesprochen. Die FDP ist für eine sichtbar befestigte Dienstnummer. „Ein hochsensibles Thema“ heißt es dazu aus SPD-Kreisen vielsagend.

Und es gibt noch mehr Einigkeit zwischen Grünen und FDP: Beide Parteien wollen den freiwilligen Polizeidienst sowie die Reiterstaffel der Polizei und das Polizeiorchester abschaffen. Was die beiden letzten Bereiche angeht, ist damit zu rechnen, dass die SPD mitzieht. Konsens ist auch, dass es keine Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten geben wird. Mit ihrer Forderung, nach einer Enthaltung Berlins im Bundesrat bei der Verabschiedung des Sicherheitspakets von Innenminister Otto Schily (SPD), stehen die Grünen allerdings allein. Man wolle sich nicht von vornherein festlegen, heißt es dazu in der FDP.

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